Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
das amerikanische Wappen im Presseraum niedriger gehängt hatte. Er selbst hätte ein Podest empfohlen, aber bei dem Ami weiß man ja nie.
Und dann, nach zähen, endlosen Minuten kam, worauf Bankräuber samt Geiselschar schon ungeduldig gewartet hatten. Der Bericht über sie selbst. Es war ein toller Bericht. Die tiefe Baßstimme des Sprechers vermittelte Spannung pur. Das Phantombild Ludger Trinkleins, von dem die Polizei aufgrund eines klerikalen Hörfehlers glaubte, er heiße Winkler, wurde gezeigt und mit der Bitte versehen, der Fernsehzuschauer möge sich doch an die nächste Polizeidienststelle wenden, falls ihm der Herr auf dem Bild bekannt vorkomme. Da der Geiselnehmer ebenso wie der Apostel aus der Fritz-Kissel-Siedlung stammte und somit kein Unbekannter war, sollten in den nächsten Minuten die Telefondrähte heißlaufen. Der Zufall wollte es, daß Ludger vor vier Wochen im Sachsehäuser Käsblättche auf einem Foto abgebildet war. Anlaß war die Kegelvereinsmeisterschaft des KV 1958 Alle uff aamal. Die hatte er zwar nicht gewonnen, aber als Schriftführer gehörte er einfach mit aufs Mannschaftsfoto.
Herr Schweitzer fragte sich, was das jetzt wieder für ein Trick sei, man brauchte den Bankräuber doch nicht mehr zu identifizieren, schließlich habe er dem Apostel doch den Namen mitgeteilt.
„Nicht schlecht“, meinte der Bankräuber, „das bin ich ja tatsächlich.“
Dann kam der erste Medienauftritt des Herrn Schweitzer in spektakulären Bildern. Nicht daß er oder der Apostel bei der Essensübergabe zu erkennen gewesen wären, vielmehr waren nur zwei sich bewegende Schatten zu sehen, aber so eine mediale Präsenz gab einem schon das Gefühl, nicht völlig umsonst gelebt zu haben. Trotzdem war er enttäuscht. Die Sichtverhältnisse waren durch den Sturm dergestalt beschissen gewesen, daß es auch keinen Unterschied gemacht hätte, wäre er fünfzig Kilo leichter und dreißig Zentimeter kleiner gewesen. Andererseits, und das fiel ihm erst jetzt auf, war es auch ganz gut so, sonst hätte Maria von der Heide von seinem Dilemma aus dem Fernsehen erfahren. Auch wenn sie selbst selten die Tagesschau einschaltete, so hätte sie doch einer ihren vielen Freunde anrufen und fragen können, was da denn los sei, er hätte Simon eben auf der Mattscheibe bei einem Banküberfall gesehen. Außerdem war Herr Schweitzer weniger eitel als der heutige Durchschnittsbürger. Er würde es also überleben.
Dann wurde noch über einen sehr, sehr schweren Autounfall auf der A5 berichtet, bei dem ein Toter und ein Schwerverletzter der allgemeinen Statistik für Verkehrsunfälle zugefügt werden konnten. Dies machte den Konsumenten betroffener als hundert Kriegstote. Bei dem dabei zu Schrott gefahrenen Fahrzeug handelte es sich auch noch um einen nagelneuen Porsche 996 GT 3. Schade drum. Außerdem staute es sich auf der Gegenfahrbahn der interessierten Mitmenschen wegen. Daß dabei ein weiterer Mensch zu Tode kam, weil er in das Stauende gefahren war – sei’s drum.
Der Wetterbericht bestätigte den Sturm in Orkanqualität, versprach in Hessen aber für morgen vormittag Aufklärung.
Justament mit dem Einblenden von Ludger Trinkleins skizziertem Konterfei war der erste Anruf gekommen und der Bankräuber allsogleich als erstens Kegelbruder und zweitens Ehehälfte der Filialleiterin erkannt worden. Kaschtaschek hatte daraufhin unverzüglich angeordnet herauszufinden, ob gegen den Mistkerl sonst noch was vorliegt.
Trotz aller Ermüdungserscheinungen befand sich der Oberkommissar in einem Hoch: „Der kann sich auf was gefaßt machen, dieser Kegelbruder. Banküberfall spielen ist nur was für harte Jungs.“
Enthusiastisch griff er zum Hörer. Als er den General, ein Freund von Blitzkriegen aller Art, am Apparat hatte, dessen Truppe gerade in einem leerstehenden, fast baugleichen Gebäude im Fechenheimer Industriegebiet in der Adam-Opel-Straße die Erstürmung der Teutonischen Staatsbank übte, sprach er mit überbordender Freude: „Gute Nachrichten, Herr General. Wenn Ihre Leute soweit sind, wir können schon bald mit der Operation Panzerfaust beginnen, der Bankräuber ist der harmlose Schriftführer eines Sachsenhäuser Kegelvereins.“
„Alle uff aamal?“
„Wie bitte?“
„Der Kegelverein. Heißt der Alle uff aamal? Gegen die haben wir vor zwei Monaten im Achtelfinale verloren.“
„Äh, ja, ich glaube schon.“ Kaschtaschek war mehr als verwirrt.
„Dem werde ich’s zeigen. Das gibt die Revanche. Diesmal hab
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