Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

ich die besseren Karten.“
    Operation Panzerfaust war des Oberkommissars ureigener Einfall und spiegelte so ein bißchen den Krieger in ihm wider. Wenn das mit dem Glück so weiterging, würde er noch dieses Jahr die Bewerbung als Sicherheitschef für die nordrhein-westfälische Landesregierung abschicken. Das wäre dann auch finanziell lukrativ, und er könnte endlich mit seiner Freundin Andrea die versprochene Kreuzfahrt in der Karibik antreten.
    Der General erklärte, es müsse nur noch die Dosierung des Betäubungsgases errechnet werden, sonst gehe es einem wie den Russen bei der Erstürmung des Musical-Theaters Nord-Ost im Oktober des Jahres 2002. Auf 170 Tote konnte man zwar mangels Geiseln nicht kommen, trotzdem dürfe der gute Ruf der GSG 9 nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.
    Kaschtaschek legte den Hörer auf, strich sich zufrieden über den Ansatz seiner Wampe und jubilierte innerlich. Ehre, wem Ehre gebührt, sagte er sich. Die Wampe war übrigens ausschlaggebend dafür, daß er sich demnächst in den Stand der Ehe begeben wollte, die Frauen ließen sich in letzter Zeit immer seltener flachlegen. Beispiel Annie Landvogt.
    Diese hatte in dem Augenblick, als die Identität des Geiselnehmers gelüftet war, mit der Durchsuchung des Abfallkartons innegehalten. Es war nicht mehr nötig, den Inhalt nach möglichen Spuren, zur Not auch Fingerabdrücken, obwohl das sehr viel Zeit in Anspruch genommen hätte, durchzuwühlen. Die von Oma Hoffmann weggeworfene Kreuzworträtselseite interessierte sie nur insofern, als sie die fehlenden Worte bei nächster Gelegenheit einsetzen wollte. Doch schon der erste flüchtige Blick darauf ließ sie stutzen. Gewässer mit vier Buchstaben war definitiv keine Inge. Ein Meer vielleicht, allenfalls noch ein Bach, darüber ließe sich trefflich streiten. Aber Inge war unzweifelhaft ein weiblicher Vorname. Eventuell ging noch Meernymphe durch, das hätte man noch eruieren müssen, mit Meernymphen kannte Annie sich nicht so gut aus. Und eine hohe Männerstimme war auch kein Popic. Sie persönlich tippte da auf Tenor. Gleichwohl, auch der nächste Eintrag Dragoslav kam ihr spanisch vor. Und dann dämmerte es ihr: „Da stehen ja lauter Namen. Du, Heiner, schau doch mal.“
    Heiner schaute. Und wie das so ist, wenn man gerade einen Lauf hat, so bemerkte er gleich die kleinen Zahlen, die jedem Anfangsbuchstaben in die Ecke geschrieben worden sind und jedem Vornamen auf diese Weise einen Nachnamen beifügte. Bis auf Johnny. Falls die Inge Hoffmann, welche die Ziffer Eins zugeordnet bekam, die raffinierte Rätsellöserin war, so wußte sie offenbar Johnnys Nachnamen nicht. Außerdem gab es da noch zwei Ausländer mit den kryptischen Namen Yoko Japan und Kogyo Japan.
    Oberkommissar Kaschtaschek befand sich in einer außerordentlich glücklichen Phase seines Lebens. Er küßte seine Kollegin auf die Nasenspitze, sah sich bereits ordenbehangen zwischen Kanzler und Kanzlergattin fürs Erinnerungsfoto posieren und sagte: „Bald ist der Spuk hier vorbei. Die GSG 9 steht schon auf Abruf bereit. Wir warten jetzt nur noch darauf, daß die da drüben müde werden.“ Er nickte aus dem Fenster in Richtung Teutonische Staatsbank. Die Laternen am Schweizer Platz ließen den Ort an Sir Arthur Conan Doyles düster-nebliges London der vorletzten Jahrhundertwende denken. Bald würde Sachsenhausen eine weitere Sprosse seiner Karriereleiter sein. Das Leben ist prima.
    In der Bank hatte sich eine zufriedene, schläfrige Mattigkeit breitgemacht. Es schien, als ob einjeder in seine eigenen Gedanken verstrickt war. Zumindest bei Herrn Schweitzer traf dies auch zu. Er hatte die Augen geschlossen, um sich endlich mal andere Bilder als die seiner Geiselkollegen ins Gedächtnis zu rufen. Natürlich versuchte er es mit Maria von der Heide, was auch vorzüglich klappte. Ja, er meinte sogar das Odeur ihres Rosenholz-Jasmin-Orangenblüte-Koriander-Parfüms riechen zu können. Per Imagination schaukelte er mit seiner Flamme auf deren Hollywoodschaukel in ihrem Garten oben im Lerchesbergring einem fürwahr lieblichen und erhabenen Sonnenuntergang entgegen. Behaglich rutschte er mit seinem Hintern auf der gemütlichen Polsterung näher an Maria heran, bis er einen Widerstand spürte, der sich nicht erklären ließ. Er tastete danach und hielt plötzlich die Knackwürste in der Hand, die er vor ein paar Ewigkeiten gekauft hatte. Das wohltuende Schaukeln war plötzlich einer bescheuerten Realität gewichen. Aber