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Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Titel: Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Knackwürste schmeckten immer. Herr Schweitzer riß ein Paar auseinander und biß herzhaft hinein. Es machte Knack, wie es sich für richtige Knackwürste geziemte. Ein paar Augen sahen ihn träge, zwei Augenpaare hungrig an. Es waren die der japanischen Europareisenden, die ja nur ein wenig Beilagenreis zu sich genommen hatten. Und wenn Herr Schweitzer etwas auf dieser Welt nachempfinden konnte, dann war es Hunger. Um sie aus ihrer mißlichen Lage zu befreien, reichte er ihnen die ganze Tüte.
    „Danke“, sagte Yoko zu seiner Verblüffung auf deutsch. Es klang wie Dan-Ké, aber immerhin, der Japaner bemühte sich in fremden Ländern wenigstens, was man von diversen europäischen Nachbarn nicht immer behaupten konnte.
    So wie Yoko und Kogyo die Würste verschlangen, war er sich sicher, die deutsch-japanischen Beziehungen wieder ins rechte Lot gerückt zu haben. Er mutmaßte, dies waren nicht die ersten Knackwürste der beiden. Womöglich stand in jedem japanischen Reiseführer, daß man auf keinen Fall versäumen sollte, die deutschen Knackwürste zu probieren, andernfalls das ganze Reisen seines Sinnes beraubt sei.
    Unterdessen hatte Oma Hoffmann ihr Strickzeug aus ihrem Wägelchen geholt. Momentan sah es noch aus wie ein profaner brauner Topflappen, der da im Werden war, aber Herr Schweitzer hatte vom Stricken weniger Ahnung als eine halbwegs begabte Kuh vom Radfahren. Wie ihm eigentlich alles, was mit Zwirn, Garn und Nadel zu tun hatte, ein Buch mit sieben Siegeln war. Selbst für einen Hemdknopf brauchte er dermaßen lange, daß es ökonomischer war, seinen Änderungsschneider Özdogan in der Mörfelder Landstraße am Südbahnhof damit zu beauftragen. Von seinen blutigen Fingern ganz zu schweigen.
    Nach längerer Wortkargheit meldete sich wieder einmal unser Schluckspecht Johnny zu Wort. Selbstredend war es infolge überhöhten Alkoholgenusses kein astreines Hochdeutsch mehr. Aber noch zu verstehen: „Warste schon mal in Guatemala?“
    Er hatte sich an die neben ihm sitzende Punkerin Uzi gewandt, um ihr abermals die Welt zu erklären. Ebensogut hätte es jeden anderen treffen können. Doch diese hatte ihre Lektion gelernt und versuchte, den Traveller brüsk abzuwimmeln: „Nee, wieso? Hab ich auch nicht vor.“
    Doch damit konnte man Johnny nicht kommen. Gewitzt fuhr er fort: „Weil Guatemala ein schönes Land iss. Damals in Mexiko…“
    Damals in Stalingrad …, hatte Herr Schweitzer schon viele Geschichten anfangen gehört.
    „… hab ich nen Aussie getroffen, muß so ’87 gewesen sein, vielleich auch ’88, weiß nisch mehr. Hieß Steve, war, glaub ich, aus Melbourne. Wollten dann zusamm aufm Rio San Pedro, das issn Fluß da unten, nach Flores. Kennste Flores?“
    „Nee, hab aber auch kein Bock auf dein Palaver“, wurde Uzi schon drastischer. Sie sah sich hilfesuchend um.
    Ihre Blicke erreichten aber nur Herrn Schweitzer, der geflissentlich schwieg. Nein Mädel, da mußt du jetzt durch. Er selbst, Herr Schweitzer, hatte, mit mehr als zwei Dekaden Kneipenwesen auf dem Buckel, schon viele solcher sinnentleerten Worttiraden betrunkener Zechkollegen über sich ergehen lassen müssen. Mit der Zeit hatte er gelernt, an den passenden Stellen ein „Ach“ oder „Ach komm“ einzubauen, ohne daß sein Gegenüber Wind davon bekam, daß er gar nicht zuhörte und sich mit seinen eigenen Gedanken beschäftigte.
    Ein unbeirrter Johnny: „Da mußte hin, wenn de nach Tikal willst. Aber Tikal kennste doch, die berühmte Maya-Stadt mitten im Dschungel?“
    „Nee Alter. Ham die Ramones da mal gespielt oder was?“ versuchte Uzi es mit neuer Taktik.
    Doch Johnny wäre nicht Johnny, wenn er nicht auch darüber hinwegsah: „Auf jeden Fall mußten wir da ersma hinkommen. Wir waren ja noch in Tenosique, auf mexikanischem Boden also. Doch Steve kannte da son Fischer, der wo für harte Dollars dich rüberfährt nach Guatemala.“
    Uzi: „Der Typ ist die absolute Härte.“
    Auch Oma Hoffmann grinste inzwischen genüßlich.
    „Das war bestimmt ganz schön hart“, machte sich Herr Schweitzer nun einen Spaß daraus und goß eifrig Wasser auf die Mühle. Seine probate Art, mit Dingen umzugehen, die man sowieso nicht ändern konnte.
    „Das kannste aber laut sagen. Fast zehn Stunden hat die Bootsfahrt gedauert. Immer wieder mußten wir aussteigen und den Kahn über Felsen schieben. War nämlich nisch genug Wasser da, weißte, außerhalb der Regenzeit.“
    Bei der Erwähnung von Wasser wurde der Geschichtenerzähler durstig,

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