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Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Titel: Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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einer Stunde zurück sei. Hansen fragt an, ob er so lange warten soll.“
    Oberkommissar Kaschtaschek: „Wenn nötig, die ganze Nacht.“
    Oberkommissarin Landvogt in den Hörer: „Wenn nötig, die ganze Nacht.“
    „Die wären wir vorläufig los.“ Kaschtaschek freute sich wie ein Schneekönig ob dieses gelungenen Streichs.
    Abermals kramte der Geiselnehmer in seinem mitgebrachten Container und brachte einen kleinen Fernseher mit schwarzem Plastikgehäuse zum Vorschein.
    „Für die Tagesschau“, meinte er der versammelten Mannschaft erklären zu müssen. Den Fernseher stellte er auf den Schalter, so daß ihn jeder sehen konnte. Das Stromkabel reichte bis zur nächsten Steckdose.
    Dann wühlte er wieder im Container rum. Und wühlte. Und wühlte. Und bekam einen Rappel: „Das halt ich im Kopp nicht aus. Hundert Prozent hab ich’s reingetan.“
    Was Herr Trinklein suchte, wußte Herr Schweitzer nicht, aber von hundert Prozent konnte wohl keine Rede sein. Früher, als er klein war, waren hundert Prozent noch hundert Prozent und kein Prozent weniger. Aber wie so vieles unterlag auch diese Maßeinheit dem Wandel der Zeit und bedeutete heutzutage nur noch, daß man eigentlich über die Maßen sicher war, es getan zu haben, aber ein letzter Rest von Zweifel war immer angebracht. Grob geschätzt, lag hundert Prozent heute bei etwa fünfundachtzig, Tendenz sinkend.
    „Scheiße. Ich bin so blöd, daß es schon zum Himmel stinkt.“ Verloren blickte er sich um. „Ich hab das scheiß Antennenkabel vergessen.“
    „Dann bestellen wir doch bei den Bullen einfach ein neues“, gab Herr Schweitzer geradezu ausgelassen zurück.
    Ludger Trinklein schaute ihn mit leerem Blick an. Dann erhellten sich seine Gesichtszüge urplötzlich. „Genau. Bestellen wir doch einfach ein neues.“
    Das mit dem Wir war eine taktische Meisterleistung psychologischer Kriegsführung des Herrn Schweitzer. Das schaffte so quasi en passant ein Zusammengehörigkeitsgefühl, was letztendlich darauf hinauslaufen sollte, daß Wir Uns ja nicht erschießen. Das haben wir nämlich noch nie gemacht. Herr Schweitzer freute sich des Lebens. Dadurch, daß Ludger auf das Wir eingegangen war, befand man sich fast schon wieder auf sicherem Grund und Boden.
    Der Bankräuber telefonierte und setzte das Ultimatum auf eine halbe Stunde fest, ansonsten eine Geisel niedergemetzelt werde.
    Herr Schweitzer wunderte sich überhaupt nicht, als der Bankräuber ihm eröffnete, daß es wiederum an ihm sei, das Antennenkabel entgegenzunehmen. Er fand zwar, aus Gründen der Gerechtigkeit wäre ein anderer an der Reihe gewesen, aber Lamentieren half ja auch nicht wirklich.
    „Bei der Gelegenheit nehmen Sie bitte den Abfallkarton mit. Der stinkt ja fürchterlich.“
    Doch weit gefehlt, wer gedacht hatte, Ludger würde sich wie beim ersten Mal hinter Herrn Schweitzers immenser Statur verstekken und zur Eingangstür mitkommen. Nein. Die Methoden verfeinerten sich. Kurzerhand band er ihm einfach ein Seil um, das er dem Containerfundus entnommen hatte, und das später noch eine entscheidende Rolle spielen sollte, hielt das lose Ende etwa sechs Meter entfernt im Dunkeln in der Hand und hielt die Beretta 92 auf Herrn Schweitzer gerichtet, während dieser die Tür öffnete.
    Ludger hatte ihm mit auf den Weg gegeben, ja kein Wort zu reden, doch Herr Schweitzer war von einem Euphorieschub heimgesucht worden und dachte gar nicht daran.
    Mittlerweile regnete es horizontal und der Wind pfiff regelrecht um die Ecken. Nach wie vor war die Stelle vor der Bank von den Autoscheinwerfern ausgeleuchtet und Apostel Hollerbusch war schutzlos den Naturgewalten ausgeliefert. Vornübergebeugt stemmte er sich gegen den Sturm. In der ausgestreckten Hand hielt er das Kabel als wäre es das Leichentuch Christi.
    Herr Schweitzer stellte den Karton auf den Boden. Als er von seinem alten Kampfgefährten für eine bessere Welt das Kabel überreicht bekam, brüllte er ihm „Ludger Trinklein Bankräuber“ ins Ohr.
    Der Apostel hatte genickt und war gegangen. Also hatte er es gleich auf Anhieb verstanden. Möge die Polizei diese Information geschickt nutzen. Herr Schweitzer war sehr zufrieden mit sich, wie er überhaupt sehr oft sehr zufrieden mit sich ist.
    „Bankräuber Ludger Winkler.“ Heiner Kaschtaschek rieb sich diebisch grinsend die Hände. „Wer hätte das gedacht, hat sich der Gauner doch tatsächlich mir gegenüber mit seinem richtigen Vornamen vorgestellt. Ganz schön abgefeimt, der Kerl.

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