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Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Titel: Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Dreiteufelsnamen niemand, der seine Tochter vergewaltigte.
    Allerdings hatte Annie Landvogt schon genügend Berufsjahre auf dem Buckel, um sich vorstellen zu können, daß Hagenkötter sich etwas vormachte, um selbst nicht vollends an der Wirklichkeit zu zerbrechen. Das war unter Anwälten gar nicht mal so ungewöhnlich, wenn man bedachte, mit welch fast schon infantilem Enthusiasmus sie als Erstsemester die Hörsäle gestürmt hatten. Den Armen, Unterdrückten und Unschuldigen dieser Welt helfen, sich gegen das Böse und Übermächtige zur Wehr zu setzen, hatten sie sich einst auf die Fahnen geschrieben, nur um dann schon im ersten Arbeitsjahr erkennen zu müssen, daß sich die Gesellschaft, salopp gesagt, einen Scheißdreck um Gerechtigkeit kümmerte. Und, was noch viel desillusionierender war, wenn sie nicht schnellstmöglich ihre Ideale über Bord warfen, würden sie selbst bald arbeitslos und verarmt auf der Straße stehen. Deshalb soffen Advokaten nicht selten wie die Weltmeister, man brauchte bloß mal einen Blick in die Kneipen rund um die Gerichte zu werfen.
    Dies alles wußte Annie Landvogt und so war auch ihre Frage zu verstehen: „Und Sie sind sich da ganz sicher, daß dieser Trinklein unschuldig ist?“
    Hagenkötter zögerte als er antwortete: „Nein, Ludger Trinklein ist kein Triebtäter.“
    Genau dieses Zögern hatte seinen Ursprung in demselben Gedanken, den auch die Oberkommissarin gehegt hatte, nämlich daß er, Hagenkötter, nur allzugut um die Selbsttäuschungen wußte, die ihm sein Beruf erträglich machten. Oft schon hatten ihm Mandanten eine Lüge aufgetischt, obschon diese als solche meilenweit gegen den Wind stank. Aber dieser Trinklein war anders. Sah einem in die Augen, wenn man mit ihm sprach. Beschönigte nichts. Redete selten abfällig über seine ehemalige Frau, obwohl diese ja für den Schlamassel verantwortlich war, in dem er steckte. Und doch hatte er schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen, hatte garantierte Unschuldslämmer unter der Beweislast zusammenbrechen und als Kapitalverbrecher auf Jahre hinter Gitter wandern sehen.
    Deshalb das Zögern, das Annie Landvogt nicht verborgen geblieben war.
    2.45 Uhr. Herr Schweitzer hatte noch immer kein Auge zugetan, das heißt, geschlossen hatte er sie schon, aber an Schlaf war nicht zu denken gewesen, obschon er allerlei Tricks angewandt hatte. In solchen Fällen rettete er sich oft dadurch, daß er in die absehbare Zukunft blickte. Wie würde seine Welt zum Beispiel vierundzwanzig Stunden später aussehen? Bisher hatte er die kommenden vierundzwanzig Stunden immer überlebt, aber würde das auch so bleiben? Und in einer Woche würde die Malaise, in der er sich gerade befand, nichts weiter sein als etwas, das seinen Erfahrungsschatz bereichert und seinen Charakter einem der letzten notwendigen Schliffe unterzogen hatte. Vorausgesetzt, er überlebte bis dahin, aber davon ging er praktischerweise aus. Bis auf Johnny hatten auch die anderen ihre Last mit dem Schlaf.
    3.05 Uhr. Um nicht untätig sein zu müssen, befahl Annie Landvogt, doch mal in Flensburg anzufragen, ob dort gegen Trinklein etwas vorliege. Vielleicht gehörte er ja zu denen, die ihre Aggressionen und geistigen Defizite mit dem Gaspedal auslebten.
    3.11 Uhr. Flensburg antwortete, ein Ludger Trinklein sei dort nicht registriert, habe also gar keinen Führerschein. Die Kommissarin wollte daraufhin dem Techniker sagen, daß der Peilsender im bereitgestellten Fluchtfahrzeug nun doch nicht zum Einsatz komme, besann sich aber eines besseren. Denn wer sagte denn, daß jemand, der keinen Führerschein besaß, nicht Autofahren konnte? Und ein Bankräuber, der sich bereits des Bankraubs, der Geiselnahme und eventuell auch der Pädophilie schuldig gemacht hatte, würde der davor zurückschrecken, ohne Führerschein zu fahren? Annie Landvogt mußte grinsen. Auf was für Sachen der Mensch doch manchmal kam. Zum Glück hatte sie ihre Gedanken für sich behalten. Kein Mensch würde sie noch ernstnehmen. Ein Bankräuber, der sich bereitwillig festnehmen ließ, nur weil das Fahren ohne Führerschein gesetzwidrig war, wo gibt’s denn so was? Nein Annielein, nein Annielein, rief sie sich zur Räson, jetzt reiß dich mal zusammen.
    3.58 Uhr mußte Johnny pinkeln. Herr Schweitzer hatte sich schon geraume Zeit gefragt, wo der Traveller das alles hintrank, was er wegtrank. Gut, Alkohol wird vom Körper ja verbrannt, aber im Wein ist ja auch unbrennbares Wasser. Viel mehr als im Schnaps. Aber

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