Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
Mutter.“
Theatralische Pause, in der Trinklein auf seine Exfrau zuging und ihr die Pistole unters Kinn drückte. Abermals verzerrten Angst und Haß ihr Gesicht zur Grimasse.
„Na ja, und irgendwann verweigerte sich Magdalena. Sie hat nämlich einen ganz ausgeprägten Eigensinn, ganz wie die Mutter. Und nun, meine Damen und Herren“, Trinklein verbeugte sich vor seinem Publikum, „kommen wir zu meinem Verbrechen.“
Doch erst einmal ging der Bankräuber zu der Kamera und überzeugte sich davon, daß sie noch lief.
Das hatte Herr Schweitzer gar nicht mitbekommen, daß die Kamera das Geschehen bereits festhielt. Aber bei genauerem Hinsehen entdeckte er ein grünleuchtendes Lämpchen, das wohl die Aufnahmetätigkeit signalisierte. Natürlich fragte er sich, was das wohl zu bedeuten hatte. Wollte Trinklein auf Zelluloid bannen, wie er seine Frau umbrachte. Zelluloid? Nein, Herr Schweitzer glaubte gehört zu haben – immer horche, immer gucke, nämlich –, daß heutzutage kaum noch etwas auf Zelluloid gebannt wurde.
„Und mein Verbrechen, das besteht darin, daß ich Magdalena-Theresa, so heißt sie wirklich, Thesi legt da nämlich großen Wert drauf, dahingehend unterstützt habe, die schwachsinnigen Klavierstunden zu schwänzen.“
Trinklein ging nun ein paarmal auf und ab, als überlege er, wie fortzufahren sei.
Er sagte: „Und einige Male rief ich die Klavierlehrerin an, sagte, daß Magdalena krank sei, nicht kommen könne. Statt dessen ging’s in den Zoo, ins Kasperletheater, auf den Spielplatz. Halt das, was Kinder so mögen. Nicht daß ich mich jetzt als Übervater oder so verstehe, nein, weiß Gott nicht, aber irgendwie hatte ich ein Verhältnis zu meiner Tochter aufgebaut, wie ich es vorher nie für möglich gehalten habe. Ihr erinnert euch, ich mochte nämlich keine Kinder.“
Keine der Geiseln dachte zu diesem Zeitpunkt mehr daran, daß Ludger Trinklein seine Tochter vergewaltigt haben sollte. Man war neugierig, wie die Geschichte denn nun weiterging. Der Bankräuber hatte etwas von einem mittelalterlichen Märchenerzähler, wie es sie in manchen Ländern, wie zum Beispiel Indien, heute noch zu Tausenden gibt.
„Klar, das konnte auf Dauer nicht gutgehen. Thesi kam dahinter, und dann war die Kacke am dampfen. Stimmt’s Thesi? Das hat unserer Bilderbuchmutti gar nicht gefallen. Magdalena beim Spielen statt an der Karriere zu arbeiten.“
Offenbar hatte sich Trinklein so in Rage geredet, daß er nicht anders konnte, als der Filialleiterin erneut mit aller Wucht eine Ohrfeige zu verpassen. Sofort fingen die Schnittwunden wieder an zu bluten.
Stoisch nahm sie den Schlag entgegen. Ihre Miene besagte, daß sie das unbotmäßige Verhalten ihres Ex aufs schärfste verurteilte. Nicht weil es wehtat, aber der nichtvorhandenen Etikette wegen.
Trinklein behandelte mit dem Papiertaschentuch die wiederaufgeplatzte Schnittwunde als wäre er schizophren. Die eine Person war gewalttätig, während die andere, um Neutralität bemüht, das Opfer verarztete.
Er fuhr fort: „Dann kam die Scheidung, logisch, der Mohr hatte seine Schuldigkeit getan und stand nur noch im Weg herum. Wahrscheinlich war alles von Anfang an so geplant, Thesi überläßt nämlich nichts dem Zufall. Selbst die Freude will geplant sein. Gelle, Thesi? An ihrem letzten Geburtstag saß sie mit einer Liste am Telefon und hakte ab, wer ihr gratuliert hatte. Das müßt ihr euch mal vorstellen, Freund A ruft an, Haken, Freund B ruft an, wieder ein Haken, Freund C, der vielleicht gerade im Urlaub ist, ruft nicht an, und schon hat Thesi ein Opfer fürs nächste Jahr. Das dürft ihr jetzt nicht wörtlich nehmen, vielmehr bekommt dieser Typ dann zu seinem Geburtstag von Thesi ebenfalls keinen Anruf und schneidet beim Klatsch im Freundeskreis die nächste Zeit verdammt schlecht ab. Ja, das ist sie wie sie leibt und lebt, unsere allseits beliebte Thesi.“ Wiederum ging Trinklein zu seiner Exfrau, beugte sich herunter, so daß er auf gleicher Augenhöhe mit ihr war. Anscheinend konnte er sich nur mit größter Mühe davon abhalten, sie einfach umzunieten. Die Beretta machte quasi selbständig eine dahingehende Bewegung.
Herr Schweitzer, müde wie er war, hatte zu kämpfen. Mit sich, mit der Welt, mit der Wahrheit. Ihm war, als stürze sein komplettes Gedankengebäude, das er die letzten zwanzig Stunden so mühsam aufgebaut hatte, in sich zusammen. Er wußte nicht mehr, und wer wollte es ihm verübeln, was er glauben sollte. Auch wenn er die Sache
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