Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
Gleichgültigkeit, Existenzkampf wegen der Kohle.“ Sein Blick streifte kurz die prall gefüllten Geldsäcke, die schon lange nicht mehr im Brennpunkt des Geschehens standen.
„Und ich Idiot habe damals, nachdem es geschehen war, zu Thesi gesagt, ja, ich liebe Dich und trage die Verantwortung mit, obwohl mir alle Gründe, die dagegen sprachen, hinlänglich bekannt waren. Ich Vollidiot. Und das war dann auch, wen wundert’s, das Ende unserer Beziehung. Mit der Geburt Magdalenas hat die Beziehung Ludschi-Thesi aufgehört zu existieren. Stimmt’s, Thesi? Von da an gab’s so gut wie keinen Sex mehr. Einmal im Monat, wenn’s hochkam.“
Das war die Stelle, an der Herr Schweitzer, späterhin, in der Retrospektive betrachtet, an einem Punkt angelangt war, den man getrost als Wendepunkt bezeichnen konnte, obwohl nichts in den Äußerungen des Bankräubers eine Änderung in des Herrn Schweitzers Gefühlswelt zwingend erforderlich gemacht hätte. Es war mehr so eine Eingebung, vielleicht eine flüchtige Idee, die zu greifen es noch zu früh war. Denn eigentlich hätte er denken müssen, als Trinklein die Bemerkung gemacht hatte, man habe seit des Kindes Geburt nur noch einmal monatlich die Ehe zelebriert, daß dies noch lange kein Sexualdelikt rechtfertigte, daß es für sein pervertiertes Verhalten nämlich überhaupt keine Entschuldigung gab, es sozusagen unentschuldbar war. Das und nichts anderes hätte Herr Schweitzer angemessenerweise denken müssen. Aber aus einem ganz und gar nicht nachvollziehbaren Grund heraus tat er es nicht.
Vielleicht gedachte er der wenigen Eltern in seinem erweiterten Bekanntenkreis, bei denen die Problematik ähnlich gelagert war. Meist waren es die Frauen, die ihren Kinderwunsch verwirklicht sehen wollten. Bei ein oder zwei von ihnen war es sogar soweit gegangen, daß sie bewußt und sehenden Auges einen Mann in Kauf genommen hatten, von dem sie von vornherein wußten, daß er zu einer glücklichen Beziehung ganz und gar nicht taugte, nur weil er zu Kindern nicht kategorisch Nein gesagt hatte. Und heute saßen sie da, hatten ihre Kinder, in die sie all ihre Entbehrungen hineinstopften, und hofften, daß der Ehemann Überstunden machte, nur damit sie wenigstens die kurze Spanne nach dem Zubettbringen der Kinder ein menschenwürdiges Leben führten. Unterstützt durch den Fernsehapparat und Tabletten oder anderen Drogen. Daß der Mann sowieso keine Lust mehr hatte, heimzukommen und längst außer Haus bumste, interessierte kaum.
„Tja, und dann war Magdalena da, und irgendwann einmal fing ich an, sie zu lieben. Das kam ganz automatisch, ich wollte es nicht, wirklich nicht. Zuerst lachte ich nur, wenn sie ihre Späße machte, fand sie einfach nur goldig, wie man ein Meerschweinchen goldig findet.“ Trinklein stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich weiß nicht, ob das bei anderen Männern auch so ist. Hab mir darüber nie Gedanken gemacht. Auf alle Fälle gab mir Magdalena etwas, das ihre Mutter mir entzogen hatte. Mein Herz war wieder voller Liebe.“
Herr Schweitzer bemerkte, wie seine Mitstreiter ihrem Peiniger förmlich an den Lippen hingen. Ihm selbst ging es ja auch nicht anders.
„Und dann, als sie merkte, daß Magdalena mich mochte, wurde Thesi eifersüchtig. Auf jeden. Auf mich, auf die Kindergärtnerin, auf alle. Und deswegen wurde Magdalena auch wieder aus dem Kindergarten abgemeldet. Wurde statt dessen tagsüber bei der Oma geparkt, obwohl Thesi ihrer Mutter auch nicht traute. Nicht wahr, Thesi, du traust ihr doch nicht, deiner Mutter.“
Theresa Trinklein-Sparwasser kauderte etwas vor sich hin, was von der Betonung her einer unwirschen Lamentation am ähnlichsten klang.
„Und kaum, daß Magdalena auf zwei Beinen stand, wurde sie im Tennisclub angemeldet. Eine zweite Steffi Graf sollte sie werden, wenn es nach ihrer Mutter gegangen wäre. Urlaub? Ihr fragt nach Urlaub?“ Theatralisch stand Trinklein auf, warf die Arme (Sachsenhäuserisch: Ärme) in die Höhe und strich mit der linken Hand allumfassend über das Auditorium. „Ja, wißt ihr denn nicht, was so ein erstklassiger Tennislehrer heutzutage verlangt? Da redet ihr von Urlaub?“
Kein Mensch hatte von Urlaub geredet, hätte Herr Schweitzer fast bemerkt.
„Menschenskinder, ihr habt überhaupt keine Ahnung, wie das ist, ein Wunderkind großzuziehen. Bloß daß Magdalena absolut null Talent fürs Tennis mitbrachte. Fürs Klavier übrigens auch nicht. Völlig unmusikalisch, das Mädchen. Aber sagt das mal der
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