Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
ich eins über.“ Sein Blick gab zu verstehen, daß er jenes ohne mit der Wimper zu zucken auch tun würde.
Hat der Mensch Worte. Nun entwickelten sich die Dinge doch noch zu einer ernstzunehmenden Bedrohung, wo doch Herr Schweitzer gestern noch felsenfest davon überzeugt war, der Trinklein sei so übel nicht. Das war allerdings vor der Erklärung der Filialleiterin, es liefe ein Verfahren gegen ihn wegen Kindesmißbrauchs. Hatte er, Simon Schweitzer, etwa die ganze Zeit im Wolkenkuckucksheim verbracht oder hatte er gar völlig den Überblick verloren? Wie dem auch sei, die Lage war gespannt und Herrn Schweitzers Sinne geschärft. Trotz des Schlafmangels war er hellwach.
Auch Oma Hofmann, Uzi, Johnny und Popic saßen wie in Granit gemeißelt da und staunten gehörig, was vor ihren Augen passierte. Herr Schweitzer war sich sicher, der Bankräuber habe Uzi nun endgültig den Schneid abgekauft.
Und dann wurde es dramatisch. Mit dem Teppichmesser in der Hand ging Trinklein auf die Gefesselte zu.
Allgemein machte man sich darauf gefaßt, daß der Bankräuber sich nun mit dem Messer an seiner Ex zu schaffen machen würde. Die Geiseln bewegten schon mal den Kopf zur Seite, die Augen würden gleich folgen, sobald das Gemetzel losging.
Um ihre Vorahnung zu nähren, drehte Trinklein den Kopf der Filialleiterin mit brachialer Gewalt zur Seite. Aus ihren Augen loderte Haß und Angst zugleich. Die Klinge näherte sich ihrer Kehle.
Alle Augenpaare wendeten sich in Erwartung des Unabänderlichen ab.
Dann vernahm man des Bankräubers Stimme, kälter als je zuvor: „Ich werde dir jetzt mit dem Messer zwei Striche auf deine hübschen Backen ritzen. Wenn du dich bewegst, könnte es passieren, daß die Wunde viel größer ausfällt als geplant. Es liegt also an dir. Hast du mich verstanden?“
Herr Schweitzer wagte einen Blick. Die anderen auch. Theresa Trinklein-Sparwasser ließ sich nicht anmerken, ob sie verstanden hatte.
„Ob du mich verstanden hast?“ brüllte der Geiselnehmer wie von Sinnen. Sein Gesicht war puterrot und wutverzerrt.
Obwohl sie ihren Kopf kaum bewegen konnte, registrierte jeder das Nicken, unterstützt durch ein Klimpern der zitternden Lider. Sie hatte verstanden. Auf Gedeih und Verderb war sie ihrem Ex ausgeliefert. Es gab keine Chance mehr.
Trinklein ritzte fein säuberlich zwei etwa fünf Zentimeter lange senkrechte Linien von den Tränensäcken ausgehend auf ihre Backen. Mit einem Papiertaschentuch betupfte er die beiden fast schwärzlich schimmernden Rinnsale.
„So ist’s gut“, war er sehr mit seiner Arbeit zufrieden. Er ging einen Schritt zurück als überlege er, wohin er sein Pinxit Trinklein setzen sollte. Wie ein Maler, dem ein letzter Pinselstrich zur Perfektion fehlte, tupfte er einen weiteren kleinen Blutstropfen hinfort. Sein Habitus drückte erhabene Würde aus.
Gemessenen Schrittes ging er abermals zum Container und kam mit weiteren Geräten zurück.
Zwei Minuten später hatte er eine kleine Kamera, so ein neumodisches Ding, auf ein Stativ geschraubt und auf die Filialleiterin gerichtet.
Auch stand eine Flasche Chivas Regal bereit, die, wie Herr Schweitzer konstatierte, vom Traveller mit Wohlwollen fixiert wurde. Erstaunlicherweise forderte er keinen Anteil ein.
Trinklein goß zwei Daumenbreit Whiskey in einen weißen Plastikbecher. „Ich mach dir jetzt das Klebeband vom Mund, und dann trinkst du den Becher aus. Wenn du schreist, war es dein letzter Schrei.“ Drohend hielt er ihr die Beretta 92 an die Schläfe. Mit einem Ruck entfernte er das Klebeband und hielt ihr das weiße Plastik an die Lippen. „Trink.“
Theresa Trinklein-Sparwasser tat wie ihr befohlen. Herr Schweitzer hatte das Gefühl, sie sträubte sich nicht wirklich. Das konnte er gut verstehen, auch wenn er Schnaps in der Regel ablehnend gegenüberstand. Wenn alles gut ging, würde er sich heute abend auch ganz schön einen genehmigen.
Dann setzte sich der Geiselnehmer rittlings ihr gegenüber auf einen Stuhl und zündete sich einen Zigarillo an. Genüßlich inhalierte er ganz tief und grinste. Es war ein Lächeln, das Herr Schweitzer nicht einzuschätzen wußte. Weder diabolisch noch herzlich. Irgendwo dazwischen.
„Die Chance ist gut. Das sind mindestens sechs Meter“, freute sich Annie Landvogt. Die Rede war von der Strecke, die der Bankräuber mit der Geisel zum Fluchtauto zurücklegen mußte. Wegen der Litfaßsäule, den Bäumen und Pfosten war es unmöglich, den Wagen näher heranzufahren. Zu dem
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