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Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Titel: Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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einem mathematischen Axiom? Descartes’ Erörterung dieser Frage ist eine der berühmtesten Passagen aus der philosophischen Literatur. Er fragt sich zunächst, ob diese Sicherheit in sinnlicher Erkenntnis zu finden ist. Offenkundig nicht: Man stecke einen geraden Stock ins Wasser und man sieht einen Knick - Auge und Tastsinn widersprechen einander. Wenn unsere Sinnesorgane manchmal so trügen, können sie keine absolute Sicherheit bieten. Auch das Argumentieren verschafft keine Sicherheit: Menschen können sich sogar bei einfachen geometrischen Problemen leicht irren. Genauso wenig können wir unseren Wahrnehmungen oder Gedanken vertrauen, denn manchmal haben wir dieselben Wahrnehmungen und Gedanken, wenn wir träumen, ohne dass dann ein einziger dabei ist, der wahr sein kann. Philosophischer Zweifel, radikal angewendet, scheint jede Sicherheit zu eliminieren - scheint, denn dann gibt Descartes seiner Ausführung diese aufregende Wendung: »Aber gleich darauf bemerkte ich, dass, während ich auf diese Weise denken wollte, alles sei falsch, doch notwendig ich, der dies dachte, irgendetwas sei. Und indem ich bemerkte, dass diese Wahrheit: ich denke, also bin ich, so fest und so sicher ist, dass sämtliche ausgefallensten Unterstellungen der Skeptiker nicht in der Lage sind, sie zu erschüttern, urteilte ich, dass ich sie ohne Bedenken als das erste Prinzip der Philosophie, die ich suchte, annehmen konnte.« 39 Mit diesem »Je pense, donc je suis« ist die eine Hälfte des kartesianischen Dualismus formuliert.
    Als denkendes Wesen habe ich eine Vorstellung der Außenwelt. Ich sehe, rieche, höre, fühle und schmecke, meine Sinnesorgane informieren mich über eine materielle Welt. Wenn Denken die Essenz meines Geistes ist, was ist dann die Essenz der stofflichen Welt? Fangen wir damit an, uns etwas ganz Normales vorzustellen, schlägt Decartes in der zweiten seiner Meditations vor, beispielsweise ein Stück Wachs, das gerade aus dem Bienenkorb geholt wurde. 40 Das Wachs liegt vor mir auf dem Tisch. Es ist weich, riecht noch nach den Blumen, aus denen es gesammelt wurde, hat eine Farbe, einen Geschmack, eine gewisse Festigkeit, Umfang und Form. Aber während ich spreche, bringt jemand Feuer darunter. Auf einmal verändern sich alle Eigenschaften, die ich gerade nannte: Das Wachs beginnt zu schmelzen und bekommt einen anderen Geruch und Geschmack, eine andere Form und Ausdehnung. Ist das, was dort liegt, noch immer dasselbe Wachs von kurz zuvor? Das kann niemand leugnen. Dennoch ist alles, was wir durch die Einschaltung unserer Sinnesorgane über dieses Wachs wissen, verändert. Offensichtlich war es nicht der Geruch, die Weichheit, die Farbe oder die Form, die unsere Vorstellung von dem Wachs bestimmte. Die einzige Eigenschaft, die sich nicht veränderte, ist, dass das Wachs noch immer Raum einnimmt. Offensichtlich ist das das Wesentliche materieller Gegenstände: sie nehmen Raum ein. Alles Stoffliche besteht als >etwas Ausgedehntes«, als res extensa. Wir sehen jetzt klar und deutlich ein, so immer noch Descartes, dass es zwei Substanzen gibt. Die eine, res cogi-tans, nimmt keinen Raum ein, ist unteilbar und hat als Wesentliches Denken, die andere, res extensa, nimmt sehr wohl Raum ein, ist teilbar und hat als Wesentliches Ausdehnung.
    So schlug Descartes, wie mit einem Hieb seines Degens, den er als Edelmann zu tragen gewohnt war, die Wirklichkeit in zwei Stücke. Entweder ist etwas Denken oder Ausdehnung, nichts ist beides, nichts ist keins von beiden. Der kartesianische Dualismus ist eine Division ohne Rest.
    DIE LEIDENSCHAFTEN DER SEELE
    Diese elegante Schlussfolgerung war der Anfang vieler Schwierigkeiten. Mit seinen beiden Substanzen wollte Descartes aufzeigen, dass Körper und Geist für den denkenden Intellekt geschieden sind, es ist eine erkenntnisheoretische Zweiteilung, philosophisch gesprochen ist eine Wechselwirkung zwischen Körper und Geist unerklärlich. Aber dass diese Wechselwirkung bestand, leugnete Descartes nicht. Dass Körper und Geist einander beeinflussen, wusste jeder aus persönlicher Erfahrung. In seinem Bericht über die Methode schreibt Descartes, er wolle sich auf die Medizin verlegen, »denn selbst der Geist hängt so stark von der Gemütsstimmung und der Einrichtung der Organe ab, dass ich, wenn es möglich wäre, ein Mittel zu finden, welches die Menschen ganz allgemein weiser und geschickter werden ließe, als sie bisher gewesen sind, glaube, man müsse es in der Medizin suchen«. 41

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