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Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Titel: Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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eigens, um dem Korsakow-Syndrom vorzubeugen (die Verarbeitung von Vollkornmehl zu Weißmehl führt zu Vitaminverlust, der kompensiert werden muss). In der Folge sank die Zahl neuer Korsakow-Patienten drastisch. Mittlerweile scheint es jedoch nicht wahrscheinlich, dass es gelingen wird, das Korsakow-Syndrom mit Backwaren aus der Welt zu schaffen. Und solange sich kein Bierbrauer einen Marktvorteil von Bier mit Thiamin verspreche, schrieb ein australischer Arzt im Rückblick auf die Diskussion, werde zielgerichtete Prävention ausbleiben.
    WERNICKE-KORSAKOW
    In der medizinischen Fachliteratur vor Korsakow lassen sich sicherlich zehn, zwölf Fallbeschreibungen von Patienten finden, die heute die Diagnose >Korsakow< erhalten würden. Keiner der Autoren wurde mit einem Eponym geehrt. Es gibt kein Syndrom namens Hooke (1680), DAssigny (1697) oder Lawson (1878). 21 Priorität ist ein Faktor, der bei Entdeckungen oft überschätzt wird. Der glaubwürdigste Kandidat unter diesen dreien wäre noch Robert Lawson, der als Arzt am Lunatic Hospital in Exeter tätig war. 22 ln der gerade gegründeten Zeitschrift Brain berichtete er von drei unterschiedlichen Formen von Geistesstörungen, die infolge chronischen Alkoholmissbrauchs auftreten konnten. Eine davon war eine Form der >Demenz<, die mit einem »nahezu vollkommenen Gedächtnisverlust für die jüngsten Ereignisse« einherging. 23 Auch wenn der Arzt zum dritten Mal am Tag vorbeischaute, bestritt der Patient, ihn bereits gesehen zu haben. Lawson suchte die Ursache in der Unterernährung des Gehirns: Ausgehungerte und geschrumpfte Hirnzellen seien nicht mehr in der Lage, Eindrücke festzuhalten. Er habe allerdings gute Heilungsergebnisse mit Fleischextrakt erzielt. 24 Lawsons Artikel erschien 1878, gut zehn Jahre also vor den ersten Veröffentlichungen Korsakows. Wenn man aber Lawsons und Korsakows Texte miteinander vergleicht, sieht man sofort, dass Korsakow nicht nur die besseren Karten hatte - er spielte sie auch besser aus. Lawson präsentierte seine Beschreibung als eine der möglichen Geistesstörungen nach exzessivem Alkoholmissbrauch, Korsakow konzentrierte sich auf dieses einzige Leiden. Lawson brauchte für seine Notizen keine zwei Seiten und beließ es bei einigen wenigen Beispielen, Korsakow legte detailliert ausgearbeitete Fallbeschreibungen von Patienten vor, und seine Patienten nahmen Romanfiguren gleich für den Leser konkrete Gestalt an. Korsakow bemerkte bei dem Gedächtnisverlust Einzelheiten, die Lawson - wenn er sie überhaupt wahrgenommen hatte - unerwähnt ließ, wie zum Beispiel das, was >in der unbewussten Sphäre< verschont blieb. Lawson beließ es bei diesem einen Artikel in einer neurologischen Zeitschrift, Korsakow startete eine wahre Kampagne auf Russisch, Französisch und Deutsch in neurologischen und psychiatrischen Fachzeitschriften, aber auch in der verbreiteteren Revue philosophique. Im Unterschied zu Lawson verband Korsakow seine Hypothesen über Ursache und Verlauf mit den vorherrschenden Theorien über Gedächtnisspuren wie die von Ribot. Mit anderen Worten: Korsakow streute seine Beobachtungen in einem geographisch und disziplinär weitaus breiteren Netzwerk aus und hielt mit Hilfe der Assoziationsbahnen in diesem Netzwerk die Erinnerung an seinen Beitrag lebendig.
    Gleiches gilt eigentlich auch für den deutschen Neurologen Carl Wernicke. Er hatte 1881 - also auch bereits geraume Zeit vor Korsakow - eine Krankheit beschrieben, die häufig im Zusammenhang mit chronischem Alkoholismus auftrat und sich durch drei Symptome auszeichnete: akute Verwirrung, Sehprobleme
    Wernicke-Korsakow 161
    (Doppeltsehen, Augenzittern) und unsicherer Gang. 25 Diese Triade von Wernicke verwies auf eine Krankheit, die er >Enzephalopathie< nannte (später die >Wernicke-Krankheit<). Einige Symptome stimmen mit dem überein, was Korsakow bei seinen eigenen Patienten wahrgenommen hatte, doch Korsakow stellte in seinen Arbeiten keine Verbindung zu Wernickes Werk her. Ein halbes Jahrhundert später wurde dies nachgeholt. Viele Korsakow-Patienten haben in der akuten Phase ihrer Krankheit Seh- und Gehprobleme, und umgekehrt scheinen Wernicke-Patienten gut auf die Zugabe von Thiamin anzusprechen, besser noch als Korsakow-Patienten. Die Theorie, dass die Wernicke-Krankheit den krisenhaften Anfang dessen markiert, was sich letztendlich zum Korsakow-Syndrom entwickelt, und beide Syndrome demnach verschiedene Stadien ein und derselben Krankheit darstellen, führte in den

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