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Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Titel: Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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genommen, die Tics aufwies, bellende und knurrende Geräusche von sich gab und in einer späteren Sprechstunde, als sie sich etwas entspannter fühlte, ab und zu »cocksucker!« rief. Er war von Anfang an davon überzeugt, dass dieses Verhalten aus einer organischen Störung heraus entstand. Shapiro nahm sie auf und experimentierte in den folgenden Monaten mit nicht weniger als sechsunddreißig wechselnden Psychopharmaka-Kombinationen. Letzten Endes erwies sich Haloperidol als effektivstes Mittel. Zusammen mit seiner Frau Elaine Shapiro, die Psychologin war, schrieb er einen Artikel, in dem dieses Ergebnis als deutlicher Hinweis auf eine organische Störung präsentiert wurde, ergänzt um einen kritischen Kommentar zur therapeutischen Machtlosigkeit der Psychoanalyse. Mit diesem Artikel begannen die Shapiros ihren eigenen langen und vergeblichen Marsch, nämlich durch die Redaktionen der von Psychoanalytikern dominierten amerikanischen Fachzeitschriften. Schließlich sollte er im British Journal of Psychiatry erscheinen. 41 Die Shapiros schrieben ohne Umschweife, die Frau leide am Gilles-de-la-Tourette-Syndrom. Sie schlossen sich der Beschreibung an, die er 1885 von den Symptomen gegeben hatte, und vermuteten genau wie er, die Krankheit werde durch einen noch nicht näher identifizierten neurologischen Defekt verursacht. Damit rückte das Eponym allmählich wieder in Richtung seines Ursprungs, der Neurologie. Dass Gilles de la Tourette dachte, dieser organische Defekt, um welchen es sich auch immer handelte, sei die Folge von Degeneration, ließen die Shapiros einfach weg - sie waren schließlich keine Historiker der Neurologie.
    Vom psychiatrischen Establishment hatte Shapiro wenig zu erwarten. Die Tourette Syndrome Association (TSA), die 1972 auch auf seinen Vorschlag hin gegründet wurde, reichte noch im selben Jahr einen Subventionsantrag beim National Institute of Health ein, sah den Antrag jedoch mit der Begründung abgewiesen, im ganzen Land litten vielleicht einhundert Menschen am Tourette-Syndrom. 42 Unterstützung gab es jedoch von den Eltern der Tourette-Patienten, die manchmal sehr hohe Beträge spendeten, und von den McNeill Laboratories, dem Produzenten von Haldol. Das Unternehmen finanzierte Informationsfilme, Broschüren, Reprints und Anzeigen für die TSA. Zeitungsberichte über Kinder, die endlich die richtige Diagnose und Behandlung erhielten, waren Teil einer Kampagne der TSA, um zu beweisen, dass das Tourette-Syndrom dramatisch unterdiagnostiziert wurde 43 1982, zehn Jahre nach ihrer Gründung, war die TSA zu einer national operierenden Patientenvereinigung mit zehntausend Mitgliedern angewachsen. Wer jetzt die Website besucht - www.tsa-usa.org -, kann sich seinen Weg durch Informationen klicken, die Initiative und Selbstvertrauen ausstrahlen. Es gibt Bücher von Tourette-Patienten (How Tourette Syndrome made me the tea-cher 1 never had), Interviews (»I have Tourette’s but Tourette’s doesn’t have me«), Berichte über berühmte Tourette-Patienten wie Tim Howard, den ehemaligen Torwart von Manchester United, Hinweise auf wissenschaftliche Artikel und Symposien, Newsletter und Publikationen über Unterrichtsprogramme, die auf Tourette-Patienten zugeschnitten sind. Mittlerweile hat die TSA in Amerika fünfunddreißig Abteilungen und rund dreihundert Unterstützungsgruppen. Heute existiert auch ein weltumspannendes Netzwerk von Schwestervereinigungen, in Deutschland die Tourette-Gesellschaft Deutschland e.V. (TGD).
    FÜR 1500 FRANCS SPAZIERSTÖCKE
    Die Störung, an der ein Tourette-Patient leidet, hat es zu allen Zeiten gegeben. Schon aus der Antike gibt es Berichte über Menschen, die seltsame, unfreiwillige Bewegungen machten und dabei bellten oder unbeherrschbar fluchten. Nicht zu allen Zeiten jedoch gab es den Tourette-Patienten. Wer um 1900 an dieser Krankheit litt, sah sich selbst, sein Verhalten und sein Erleben anders als ein Patient im Mittelalter oder am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. Schon das Wort >Patient< ist eine heikle Bezeichnung, im Mittelalter hielt man einen Menschen mit dieser Störung nicht für krank, sondern für >besessen<. Wer Zugang hat zu Informationen, Medikamenten und der Unterstützung von Leidensgenossen, wird auch eine andere Haltung zu seiner Krankheit haben als Patienten aus der Zeit von Gilles de la Tourette.
    Die Krankheit ist unheilbar und in diesem Sinne noch immer »ein elender Gefährte für das ganze Leben«, aber es ist nicht mehr der Gefährte,

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