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Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)

Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)

Titel: Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Nagel
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Vorteils für einen selbst keinen ernsten Schaden zufügen sollte, beruht zum Beispiel auf der Erkenntnis, dass der Grund gegen ein Zufügen des Schadens viel stärker ist als der Grund dafür, den Vorteil zu suchen, und dass die Tatsache, dass jemand anders den Schaden erleiden würde, kein Grund ist, ihn nicht zu beachten.

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    Aber was führt dazu, dass die Interessen anderer uns Handlungsgründe liefern, wenn nicht die Disposition, nach einigem Nachdenken in einem gewissen Maß von Wohlwollen motiviert zu sein? Diese Frage ist der natürliche Ausdruck der Skepsis des Subjektivisten gegenüber dem Realismus. Sie ist außerdem der erste Schritt auf dem Weg zu einer fatalen Fehlinterpretation des Realismus – jener Fehlinterpretation, die ihn in eine metaphysische Theorie verwandelt. Die Frage impliziert, dass dasjenige, was Werturteile richtig oder falsch sein lässt, etwas anderes als ein Wert sein muss – etwas, das in der Welt zusätzlich zu den empirischen Fakten vorkommt, die für und gegen einHandeln sprechen, wie etwa die Tatsache, dass ich einen Hund überfahren werde, wenn ich nicht auf die Bremse trete. Subjektivisten glauben, diese Frage an den Realisten sei angebracht, weil ihre eigene Theorie eine Antwort darauf bereithält: Sie finden den Grund für die Wahrheit von Werturteilen in psychologischen Tatsachen über die motivationalen Dispositionen des Menschen – etwas, was fundamentaler ist als Werte. (Für Expressivisten erledigt sich die Frage, indem abgestritten wird, dass Werturteile einen Wahrheitswert haben, aber auch sie finden den Grund für diese Urteile in motivationalen Dispositionen.)
    Diese Art von Erklärung für Werte ist genau das, was Realisten bestreiten. Wichtiger noch, in meiner Konzeption des moralischen und evaluativen Realismus ersetzen Realisten die psychologische Antwort auf die Frage, die von den Subjektivisten gestellt wird, nicht durch eine andere Antwort. Der Realismus ist keine metaphysische Theorie des Grundes für moralische und evaluative Wahrheit. Eine metaphysische Position ist er nur in dem negativen Sinn, dass von ihm bestritten wird, dass alle grundlegende Wahrheit entweder natürlich oder mathematisch ist. Metaphysisch ist er nur dann, wenn die Ablehnung einer metaphysischen Position wie des Naturalismus selbst als eine metaphysische Position gilt. [2] Aber der Werterealismus behauptet nicht, dass Werturteile durch etwas anderes, sei es natürlich oder übernatürlich, richtig oder falsch werden.
    Selbstverständlich sind natürliche Tatsachen das, was einige Werturteile wahr macht, insofern sie die Tatsachensind, die Gründe für und gegen ein Handeln liefern. [3] So gesehen lässt die Tatsache, dass man einen Hund überfahren wird, wenn man nicht auf die Bremse tritt, es wahr sein, dass man auf die Bremse treten sollte. Die allgemeine moralische Wahrheit, die zu dieser Folgerung berechtigt   – nämlich dass es darauf ankommt, etwas zu tun, damit die schwere Verletzung einer fühlende Kreatur vermieden wird –, wird jedoch nicht durch irgendeine Tatsache eines anderen Typs wahr. Sie ist nichts als sie selbst.
    Beim Streit zwischen Realismus und Subjektivismus geht es nicht um die Inhalte des Universums. Es ist ein Streit um die Ordnung normativer Erklärung. Realisten glauben, dass moralische und andere evaluative Urteile oft durch allgemeinere oder grundlegendere evaluative Wahrheiten erklärt werden können, zusammen mit den Fakten, durch die sie ins Spiel kommen (die Tatsache über den Hund). Aber sie glauben nicht, dass das evaluative Element in einem solchen Urteil durch irgendetwas sonst erklärt werden kann. Dass es einen Grund gibt, zu tun, was einer fühlenden Kreatur eine schwere Verletzung ersparen wird, gehört nach einer realistischen Auffassung zu der Sorte von Dingen, die für sich genommen wahr sein können, und nicht deshalb, weil etwas von einer anderen Sorte wahr ist. In dieser Hinsicht ist sie physikalischen Wahrheiten, psychologischen Wahrheiten sowie arithmetischen und geometrischen Wahrheiten ähnlich.
    Anstatt die Wahrheit oder Falschheit von Werturteilen unter dem Gesichtspunkt ihrer Übereinstimmung mit unseren wohl überlegten motivationalen Dispositionenoder dem Moralempfinden zu erklären, wie es der Subjektivist tut, erklärt der Realist unser Moralempfinden als ein Vermögen, das darauf abzielt, diejenigen Tatsachen in unserer Wahlsituation zu bestimmen, die für und gegen bestimmte Handlungsweisen sprechen, und

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