Geisterbahn
fragte Amy sich verzweifelt. Sie klingt ganz so, als hätte sie Jerrys Fluch gehört und sei der Ansicht, daß er sich erfüllen wird. Was geht hier vor? Was ist nur los mit ihr?
Ihre Mutter wurde immer gewalttätiger. Amy hatte keine Sekunde lang geglaubt, Mama würde sie umbringen. Das hatte sie Liz zwar erzählt, aber sie hatte übertrieben. Zumindest glaubte sie, übertrieben zu haben. Doch als ihre Mutter sie nun weiterhin beschimpfte und schüttelte, bekam Amy es mit der Angst zu tun, Mama könne sie ernsthaft verletzen. Sie versuchte, sich aus ihrem Griff zu winden.
Die Mutter ließ sie nicht los.
Die beiden Frauen wankten zur Seite und prallten hart gegen den Tisch.
Der fast leere Kaffeebecher kippte um, drehte sich zweimal, fiel vom Tisch, verschüttete Tröpfchen kalten Kaffees und zerbrach in ein Dutzend Scherben, als er auf den Boden knallte.
Die Mutter hörte auf, Amy zu schütteln, doch in ihren Augen lag immer noch ein wahnsinniger, wild brennender Blick. »Bete!« sagte sie eindringlich. »Wir müssen beten, daß kein Baby in dir ist. Wir müssen beten, daß es ein Irrtum ist, daß du dich getäuscht hast.«
Sie zerrte Amy grob zu Boden, auf ihre Knie, und dann knieten sie nebeneinander auf den kalten Fliesen, und Mama begann laut zu beten, und sie hielt Amy an einem Arm fest, hielt sie so fest, daß ihre Finger Amys Fleisch zu durchdringen und den nackten Knochen zu berühren schienen, und Amy weinte und bat, sie möge sie doch loslassen, und Mama gab ihr noch eine Ohrfeige und befahl ihr zu beten, verlangte, daß sie betete, und Mama bat die Heilige Jungfrau um Gnade, aber Mama hatte keine Gnade, als sie sah, daß Amy den Kopf nicht tief genug gesenkt hatte, denn sie packte ihre Tochter am Nacken und zwang ihr Gesicht auf den Boden hinab, zwang es immer tiefer hinab, bis Amys Stirn die Fliesen berührte, bis sie die Nase in eine nasse Pfütze verschütteten Kaffees drückte, und Amy sagte immer wieder »Mama, bitte!«, immer wieder »Mama, bitte!«, aber die Mutter hörte sie nicht, denn sie war damit beschäftigt zu beten, zu Maria und Jesus und Josef und Gott dem Vater und Gott dem Heiligen Geist, und sie betete auch zu zahlreichen Heiligen, und als Amy nach Atem rang, drangen aus der kleinen Pfütze, in die sie das Gesicht drückte, ein paar Tropfen Kaffee in ihre Nase, und sie prustete und würgte, doch die Mutter hielt sie fest, drückte sie noch fester hinab als zuvor, hielt sie am Nacken gepackt und jammerte und heulte und schrie und schlug mit der freien Hand auf den Boden und trat um sich und erzitterte in religiöser Leidenschaft, bat und schwatzte und wimmerte um Gnade, Gnade für sich selbst und ihre ungezügelte Tochter, jaulte und weinte und betete auf eine Weise, für die Katholiken normalerweise zu stolz waren, in einem frommen Wahn, der eher zum ursprünglichen Christentum der Kirche des Mannes aus Nazareth gepaßt hätte, schlug um sich und plapperte wie im Fieber, bis sie sich schließlich ausgebetet hatte und heiser und erschöpft zu Boden sank.
Die nachfolgende Stille war dramatischer als jeder Donnerschlag.
Die Mutter ließ Amys Hals los.
Zuerst blieb Amy so hocken, wie ihre Mutter sie zu Boden gedrückt hatte, das Gesicht auf den Fliesen, aber nach ein paar Sekunden hob sie den Kopf und schaukelte auf den Knien hin und her.
Mamas Hand war ganz verkrampft, weil sie Amys Hals in einem so eisernen Griff gehalten hatte. Sie starrte auf die klauenähnlichen Finger hinab und massierte sie mit der anderen Hand. Sie atmete schwer.
Amy hob die Hände vors Gesicht und wischte den Kaffee und die Tränen fort. Sie konnte einfach nicht aufhören zu zittern.
Draußen glitten Wolken über die Sonne hinweg, und das Morgenlicht, das durch die Küchenfenster fiel, kräuselte sich wie strahlendes Wasser und wurde dann schwä cher.
Die Uhr tickte hohl.
Für Amy war die Stille erschreckend, wie der endlose Augenblick zwischen einem stockenden Herzschlag und dem nächsten Geräusch des Pulses, in dem man sich unwillkürlich fragte, ob dieser lebenswichtige Muskel in der Brust sich je wieder ausdehnen und zusammenziehen würde.
Als Mama endlich etwas sagte, zuckte Amy unwillkürlich zusammen.
»Steh auf«, sagte Ellen Harper kalt. »Geh hinauf und wasch dir das Gesicht. Kämm dir das Haar.«
ja, Mama.«
Beide erhoben sich.
Amys Beine waren schwach. Ihr Rock war zerknittert; sie drückte ihn mit zitternden Händen hinab, glättete den zerknautschten Stoff.
»Zieh dir andere Sachen
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