Geisterbahn
zurückzuzahlen.«
»Was?«
»Diese Frau, der du etwas schuldig bist«, sagte Ghost.
»Diejenige, nach deren Kindern du immer suchst. Vielleicht hast du Glück und findest sie hier.«
»Ja«, sagte Conrad leise. »Vielleicht habe ich Glück.«
Um halb neun am Montag abend saß Ellen Harper im Wohnzimmer des Hauses an der Maple Lane und versuchte, einen Artikel in der neuesten Ausgabe von Redbook zu lesen. Sie konnte sich nicht konzentrieren. jedesmal, wenn sie am Ende eines Absatzes angelangt war, konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, was darin gestanden hatte, und mußte ihn noch einmal lesen. Schließlich gab sie auf und blätterte die Zeitschrift einfach nur durch, sah sich die Bilder an, während sie regelmäßig an einem Glas mit Wodka und Orangensaft nippte.
Obwohl es noch nicht spät war, hatte der Alkohol bereits Wirkung erzielt. Sie fühlte sich aber nicht gut. Aber auch nicht schlecht. Nur benommen. Aber vielleicht noch nicht benommen genug.
Sie saß allein in dem Zimmer. Paul war in seiner Werkstatt in der Garage. Er würde wie immer um elf Uhr ins Wohnzimmer kommen, um sich im Fernsehen die Spätnachrichten anzusehen, und dann zu Bett gehen. Joey war auf seinem Zimmer und arbeitete ebenfalls an einem Modell - einer Plastikfigur von Lon Chaney als Phantom der Oper. Amy war ebenfalls oben. Abgesehen von ihrem kurzen, zappligen Auftritt zum Abendessen, hatte das Mädchen sich auf seinem Zimmer verschanzt, seit sie an diesem Nachmittag von Dr. Spangler zurückgekehrt waren.
Dieses Mädchen. Das verdammte, trotzige, wollüstige Mädchen! Schwanger!
Natürlich hatten sie die Testergebnisse noch nicht. Das würde ein paar Tage dauern. Aber sie wußte es: Amy war schwanger.
Die Zeitschrift raschelte in Ellens zitternden Händen.
Sie legte das Redbook beiseite und ging in die Küche, um sich noch einen Drink zu mixen.
Sie konnte einfach nicht aufhören, sich Sorgen über die Zwickmühle zu machen, in der sie steckte. Sie konnte Amy nicht erlauben, das Kind zu bekommen. Aber wenn Paul herausfand, daß sie hinter seinem Rücken Vorkehrungen für eine Abtreibung getroffen hatte, würde er nicht gerade begeistert sein. Eigentlich war er zu Hause ein sanftmüti ger Mann, ruhig und gemütlich, bereit, seine Ehefrau das Haus und - im allgemeinen - auch ihr Leben führen zu lassen. Aber er konnte zornig werden, wenn man ihn weit genug trieb, und bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen er die Beherrschung verlor, hatte er sich als ein harter Brocken erwiesen.
Sollte Paul im nachhinein von der Abtreibung erfahren, würde er wissen wollen, warum sie ihm nichts gesagt hatte, warum sie so etwas gebilligt hatte. Sie würde ihm eine überzeugende Erklärung abliefern müssen, eine leidenschaftliche Selbstverteidigung. Im Augenblick hatte sie jedoch nicht die geringste Ahnung, was in Gottes Namen sie zu ihrer Rechtfertigung vorbringen könnte.
Als sie Paul vor zwanzig Jahren geheiratet hatte, hätte sie ihm ihr Jahr auf dem Jahrmarkt beichten sollen. Sie hätte von Conrad und dem widerwärtigen Geschöpf, dem sie das Leben geschenkt hatte, erzählen sollen. Aber sie hatte nicht getan, was sie hätte tun sollen. Sie war zu schwach gewesen. Sie hatte ihm die Wahrheit verschwiegen. Aus Angst, er würde sie verabscheuen und sich von ihr abwenden, sollte er von ihren Fehlern erfahren. Aber hätte sie es ihm damals erzählt, am Anfang ihrer Beziehung, würde sie jetzt nicht in so schlimmen Schwierigkeiten stecken.
Im Laufe ihrer langen Ehe war sie mehrmals kurz davor gewesen, ihm ihre Geheimnisse zu enthüllen. Wenn er davon träumte, eines Tages eine große Familie zu haben, hatte sie hundertmal fast gesagt: >Nein, Paul. Ich kann keine Kinder bekommen. Denn weißt du, ich habe schon mal eins gehabt, und es hat nichts getaugt. Überhaupt nichts. Es war entsetzlich. Es war nicht mal menschlich. Es wollte mich töten, und ich mußte es zuerst töten. Vielleicht war dieses schreckliche Kind einzig und allein ein Produkt der geschädigten Gene meines ersten Mannes. Vielleicht hat mein genetischer Beitrag keine Schuld daran gehabt.
Aber ich kann kein Risiko eingehen.< Obwohl sie unzählige Male im Begriff gewesen war, ihm dieses Geständnis zu machen, hatte sie es nie über sich gebracht; sie hatte ihre Zunge im Zaum gehalten und die naive Überzeugung empfunden, daß Liebe alles überwinden würde - irgendwie.
Als sie später mit Amy schwanger ging, hatte sie vor Sorge und Angst fast den Verstand verloren. Aber das
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