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Geisterbahn

Geisterbahn

Titel: Geisterbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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genau, wie sie sich verhalten sollte, sollte er versuchen, sie zu bestechen. Sie wußte, daß einige Jahrmarktveranstalter eigens jemanden angestellt hatten, dessen Aufgabe es war, öffentliche Beamte zu bestechen; sie nannten ihn den >Schmieren, weil er in die Stadt fuhr, bevor der Jahrmarkt dort eintraf, und Polizisten und anderen wichtigen Beamten ein paar Scheinchen und Hefte mit Freikarten für ihre Freunde und Familie zuschob. Falls der Schmierer seinen Job nicht erledigte, führte die Polizei eine Razzia auf dem Jahrmarkt durch und schloß alle Buden und Fahrattraktionen, selbst wenn es sich um ein ehrliches Unternehmen handelte, das den Kunden nicht das Geld aus den Taschen zog; falls die Polizei nicht geschmiert worden und darüber wütend war, konnte es sogar vorkommen, daß sie die harmlosesten Stripshows schloß und die Fahrattraktionen für gefährlich erklärte, womit man den Jahrmarkt schnell und wirksam in die Knie zwang.
    Janet aber wollte unbedingt verhindern, daß die Leute von Big American den Eindruck gewannen, sie wäre auf einen schnellen Dollar aus.
    Zum Glück war Mr. Frederickson ein gebildeter, sprachlich gewandter und höflicher Gentleman, der Janets Aufrichtigkeit erkannte und bewunderte. Er bot ihr kein Schmiergeld an. Er versicherte ihr, daß seine Angestellten um die Gesundheit und Sicherheit ihrer Kunden ebenso besorgt seien wie sie, und erteilte ihr die Erlaubnis, ihre Nase, solange sie wollte, in alle Ecken des Mittelgangs zu stecken. Fredericksons Transportleiter, Max Freed, gab ihr ein Abzeichen mit den Buchstaben VIP darauf, damit alle Schausteller sie unterstützten.
    Den Großteil des Morgens und Nachmittags über stöberte Janet, mit einem Schutzhelm, einer großen Taschenlampe und einem Notizbuch bewehrt, auf dem Gelände herum, beobachtete, wie der Mittelgang sich wie ein Phönix erhob, überprüfte Schrauben und Nieten und Kugelgelenke, kroch, wenn nötig, in dunkle, enge Räume und spähte in alle Ecken. Sie gewann den Eindruck, daß Frederick Frederickson die Wahrheit gesagt hatte: Big American war sehr gewissenhaft, was die Wartung, und übermäßig gewissenhaft, ja direkt penibel, was den Aufbau der Fahrattraktionen und Buden betraf.
    Um Viertel nach drei stand sie vor der Geisterbahn, die eine volle Stunde und fünfzehn Minuten vor dem planmäßigen Öffnen der Tore schon voll funktionsfähig zu sein schien. Sie wollte jemanden bitten, sie durch die Geister bahn zu führen, fand aber niemanden, der hier arbeitete, und einen Augenblick lang spielte sie mit dem Gedanken, dieses Karussell zu übergehen. Bis zu diesem Augenblick hatte sie nirgendwo auf dem Gelände ein Sicherheitsrisiko entdeckt, und es war sehr unwahrscheinlich, daß sie ausgerechnet hier auf eine gefährliche Verletzung der Bauvorschriften stieß. Wahrscheinlich verschwendete sie nur ihre Zeit. Aber trotzdem ...
    Ihr Pflichtgefühl war sehr stark ausgeprägt.
    Sie schritt die Rampe zu den Gondeln hinauf, vorbei am Kassenhäuschen, und trat in den umbauten Gang, wo die Gondeln ihre Fahrt begannen. Vom Einstiegsteg aus führte der Weg zu zwei großen Sperrholztüren, die so bemalt waren, daß sie an die massiven, hölzernen, eisenbeschlagenen Tore eines verbotenen Schlosses erinnerten. Wenn die Geisterbahn in Betrieb war, würden die Türen vor jedem Wagen aufschwingen und sich hinter ihm wieder schließen. Als Janet Middlemeir sich jetzt dem Eingang näherte, stand eine Tür offen. Sie spähte hinein.
    Das Innere der Geisterbahn war noch nicht vollständig verdunkelt. Eine Lichterkette verlief entlang der Spur und verschwand fünfzehn Meter entfernt hinter einer Biegung; sobald die Gondeln sich in Bewegung setzten, würden sich diese Lampen ausschalten. Doch trotz dieser Schnur sanft leuchtender Glühbirnen war es schwer, irgend etwas hier drinnen genau zu erkennen.
    Janet beugte sich über die Schwelle. »Hallo?«
    Niemand antwortete.
    »Ist da jemand?« fragte sie.
    Stille.
    Sie schaltete ihre Taschenlampe ein, zögerte nur eine Sekunde und trat hinein.
    Die Geisterbahn roch muffig und ölig.
    Sie kniete nieder und untersuchte die Bolzen, die die beiden Teile der Spur verbanden. Sie waren bombenfest.
    An beiden Seiten der Spur standen in verborgenen Nischen leicht erhöht lebensgroße mechanische Gestalten: ein häßlicher, schief grinsender Pirat mit einem Schwert in einer Hand; ein Werwolf, dessen Klauen mit einer silbern leuchtenden, phosphoreszierenden Farbe bemalt waren, die sie im Dunkeln wie

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