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Geisterblues

Geisterblues

Titel: Geisterblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie MacAlister
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als Frau von Welt zu geben. Was ich ihm nicht verriet, war, dass mein Magen Freudensaltos schlug bei der Vorstellung, eine echte Verabredung zu haben. Ich brauchte diese drei Tage unbedingt, um mich so weit unter Kontrolle bringen, dass ich mit ihm ausgehen konnte, ohne ihn die ganze Zeit küssen zu wollen. Und genau das hätte ich auch jetzt am liebsten getan. Schon seine Nähe ließ meinen ganzen Körper kribbeln, ein Gefühl ganz ähnlich dem, das Tibolts Amulett bei mir auslöste. »Vielleicht sollten wir unsere Abmachung mit einem Kuss besiegeln?«
    »Ich finde, das klingt toll«, sagte ich und lehnte mich ihm entgegen, um seinen herrlichen, ledrig-würzigen Geruch einzuatmen, der purer Ben war.
    »Lass mich den Namen dieser walisischen Stadt noch mal hören«, raunte er, seine Augen fast golden funkelnd.
    Ich wollte ihn gerade aufsagen, als Soren in die Budengasse gerannt kam und laut meinen Namen rief. Wegen seines Beins rennt er nicht besonders gut, darum musste das Tempo, das er vorlegte, bedeuten, dass etwas passiert war. »Ich bin hier – was ist los?«, fragte ich, als ich mit Ben ums Eck bog.
    »Es ist wegen Tesla«, japste Soren und humpelte mit einem Strick in der Hand auf mich zu.
    »Oh nein, stimmt etwas nicht mit ihm? Ist er krank?« Ich stürmte mit Ben im Schlepptau in Richtung Pferdekoppel los.
    »Ich weiß es nicht«, rief Soren mir nach. »Tesla ist verschwunden. Ich fürchte, er wurde gestohlen.«

5
    Soren sollte recht behalten. Anfangs hatte ich so meine Zweifel, dass Tesla wirklich gestohlen worden war – wer klaute schon ein altes, schmutzig-weißes Pferd? – aber die Koppel, auf der wir Tesla und Bruno hatten grasen lassen, war leer. Teslas Fußfessel lag ordentlich auf einem Stein gleich neben dem Wassereimer.
    »Jemand hat sie ihm abgenommen.« Ben inspizierte die offenen Manschetten. »Sie sind nicht von allein abgefallen.«
    »Seht ihr?«, fragte Soren, der schnaufend zu uns aufschloss. »Er wurde gestohlen, nicht wahr?«
    »Es scheint so.« Nach kurzem Zögern streifte ich erst die Spitzen-, dann die Latexhandschuhe ab, die mich davor schützen, von allem, womit ich in Kontakt kam, mentale Eindrücke aufzuschnappen, und streckte den Arm nach der Fußfessel aus. Ben legte sie in meine Handfläche, dabei achtete er sorgsam darauf, mich nicht zu berühren. Obwohl er zu den wenigen zählte, bei denen mir Körperkontakt nichts ausmachte, wollte ich meinen psychometrischen Radar nicht stören, indem ich seine Gefühle zusammen mit denen der Person auffing, die die Fußmanschette gelöst hatte.
    »Und?«, fragte Soren, als ich mich durch die Bilder arbeitete, die in mein Bewusstsein fluteten, kaum dass ich die Ledermanschette berührte. »Wer hat ihn gestohlen? Ist Bruno in Gefahr? Ich sollte meinen Vater warnen, falls sich hier ein Pferdedieb herumtreibt.«
    »Ich denke nicht, dass wir es mit einem klassischen Pferdedieb zu tun haben«, widersprach ich, meinen mentalen Fokus auf die Fußfessel gerichtet.
    »Wer hat die Manschette angefasst, Fran?« Bens Stimme war ruhig, aber besorgt. Er wusste, wie viel Tesla mir bedeutete.
    »Ben, Soren, Peter, Karl …« Diese vier waren logisch. Sie alle halfen bei der Versorgung und beim Verladen der Pferde in den Hänger, wenn wir zur nächsten Stadt weiterzogen, darum war es keine Überraschung, dass jeder von ihnen schon mal mit der Fußfessel in Kontakt gekommen war. Aber es gab noch eine fünfte Person, und die bereitete mir Kopfzerbrechen. »Und dann ist da noch jemand. Jemand, den ich nicht kenne. Jemand … der
anders
ist.«
    »Inwiefern anders?«, hakte Ben nach. Ich gab ihm die Manschette zurück, dann drehte ich mich um und ließ meinen Blick über das offene Feld wandern. Ich glaubte zwar nicht, dass Tesla einfach nur von der Dunkelheit verborgen wurde, musste mich aber trotzdem vergewissern.
    »Insofern, als er nicht menschlich ist.«
    »Was?« Soren stand der Mund offen. »Nicht menschlich? Du meinst, so was wie ein Geist?«
    »Ich weiß nicht, was er ist. Aber er ist völlig frei von Gefühlen.«
    »Frei von Gefühlen?« Soren zog die Stirn kraus.
    »Ja. Er empfindet rein gar nichts. Jeder hinterlässt einen Rest an Emotion, wenn er einen Gegenstand anfasst – sogar Ben tut das, auch wenn er sein Innenleben abzuschotten versucht –, sodass ich spüren kann, wer den Gegenstand berührt hat. Wer immer die Fußfessel gelöst hat, war nicht normal. Nicht menschlich.«
    »Oder gut geschützt«, wandte Ben nachdenklich ein. »Manche

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