Geisterblues
Mannen kamen aus dem Wald gestapft. Eirik war mit einem ärmellosen schwarzen Netzhemd und einer hautengen Lederhose bekleidet. Gils hatte sich ein rotes T-Shirt übergezogen, auf dem eidechsenförmige Buchstaben das Wort SEX bildeten, und Ljot wollte offensichtlich schwimmen gehen, denn er trug eine sehr knappe Badehose, Flip-Flops, eine Schwimmbrille und sonst nichts. »Ihr wollt Loki beschwören? Ihr müsst euch an Freya wenden. Sie ist die Königin der Walküren.«
Ich zeigte hinüber zu Mikaela und Ramon, die auf dem Boden knieten, um die Überreste von Freyas Zerstörungswut einzusammeln. »Sie war gerade hier. Sie hat uns gesagt, dass sie sich nicht mehr oft in Walhall blicken lässt, weil es dort keine CSI -Darsteller gibt, und dass wir Loki um Hilfe bitten müssen.«
» CSI ?«, wiederholte Ljot und rückte seine Schwimmbrille gerade.
»Eine Fernsehserie.«
»Warum hat euch die Göttin Freya empfohlen, Loki zu rufen?«, fragte Eirik und schlug nach einem Moskito. Keine Ahnung, warum, aber die Vorstellung von einem Geist mit Mückenstichen reizte mich unwillkürlich zum Lachen.
»Weil das hier offenbar ihm gehört. Oder ihm gehört hat. Oder seine Macht beherbergt. Oder so ähnlich.« Ich stand auf und zeigte ihm den Valknut. »Darum muss ich diesen Loki unbedingt überreden, mir zu helfen. Wer auch immer er ist.«
»Du weißt nicht, wer Loki ist, der Gott des Schalks?« Seine Ungläubigkeit stand Gils ins Gesicht geschrieben.
»Nein. Ich kenne mich mit diesen Göttern nicht gut aus. Also, wer ist er? Und warum mag Freya ihn nicht?«
»Das ist wegen Asgard. Setz dich, dann erzähle ich dir die Geschichte von Loki und Freya«, sagte Eirik und machte es sich auf einem Baumstamm neben mir bequem. Ljot und Gils hockten sich ins Gras und setzten in Vorfreude auf die Märchenstunde gespannte Gesichter auf. Mikaela rollte die Augen und schaufelte die Scherben in ihre Stofftasche. Doch schließlich machten sie und Ramon es sich auf ihrem Beschwörungstuch bequem, um ebenfalls zu lauschen.
»Wer ist Asgard?«, fragte ich, als ich mich wieder auf meinen Baumstumpf sinken ließ.
»Asgard ist ein Ort, keine Person. Genauer gesagt, der Wohnort der Götter. Loki war zu Anfang ein Gott, der stets danach trachtete, Unfug anzustellen. Er machte Witze auf Kosten anderer und bediente sich seiner Verwandlungskünste, um nicht zur Verantwortung gezogen zu werden. Als die Götter Asgard bauten, stellten sie eines Tages fest, dass sie mehr Zaster brauchten, um eine Mauer darum zu ziehen. Loki kam auf die Idee, einen Riesen mit dieser Aufgabe zu betrauen, und er ersann einen Plan, wie er ihn unentgeltlich arbeiten lassen könnte. Er bot dem Riesen die Göttin Freya an, vorausgesetzt, die Mauer würde pünktlich fertig. Zuerst waren die Götter skeptisch, aber Loki versprach, dafür zu sorgen, dass der Riese die Aufgabe nicht rechtzeitig vollendete, sodass die Götter ihn nicht für seine Arbeit entlohnen müssten.«
»Was für ein Arsch«, bemerkte ich, bevor mir auffiel, dass ich über einen Gott lästerte. »Ähm … ein netter Arsch natürlich.«
»Nein, er war nicht nett«, widersprach Ljot vehement und schüttelte den Kopf.
»Der Riese hatte einen Hengst, der ihm half, die Mauer zu errichten. Schließlich war der Riese fast fertig, ihm fehlten nur noch drei Tage bis zum Ziel. Freya tobte vor Wut auf Loki. Da die anderen Götter hinter ihr standen, blieb Loki nichts anderes übrig, als sich in eine Stute zu verwandeln und den Hengst des Riesen wegzulocken. Die Frist des Riesen lief ab, und er war außer sich vor Zorn. Er versuchte, trotzdem Anspruch auf Freya zu erheben, aber Thor gebot ihm Einhalt. Freya konnte Loki nie vergeben, dass er sie auf diese Weise benutzt hat.«
»Au Backe. Das war aber auch ein hinterlistiger Trick von ihm. Zu wissen, dass der Riese all die Arbeit machen würde, ohne am Ende seinen Lohn zu bekommen. Ich kann Freya nicht verübeln, dass sie stinkig auf ihn ist.« Ich wollte schon hinzufügen, dass man ihn heutzutage in Grund und Boden klagen würde, wenn er so eine Nummer versuchte, doch dann fiel mir wieder ein, dass wir hier von Geschehnissen sprachen, die sich vermutlich vor Jahrtausenden zugetragen hatten. Kein Wunder, dass mein Hirn völlig überfordert war bei der Vorstellung, dass diese nordischen Götter wirklich existierten. So viel zum Thema Mythologie. »Tja, ich freue mich nicht gerade darauf, Loki um seine Unterstützung bitten zu müssen, aber wenn es keine andere
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