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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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schloss den Browser, klappte den Laptop zu, schob ihn in die Schublade unter die Pullover und war gerade wieder in meinem Zimmer, als die Haustür aufging. Mein Herz hämmerte so laut, dass ich, als ich Schritte im Flur hörte und Bridgette in mein Zimmer spähte, schon fürchtete, sie würde es sogar durch meine Bettdecke hören.
    Vermutlich war AzAngry ein Verrückter oder ein unzufriedener Angestellter
, dachte ich. Hatte Bain nicht erwähnt, dass die Leute gern das Schlimmste von der Familie glaubten? Liza hatte Selbstmord begangen. Und so mächtig die Silvertons auch sein mochten, daran hatte wohl niemand etwas gedreht.
    Oder doch?
     
    Einige Abende später saßen Bain, Bridgette und ich zusammen auf der Veranda, aßen Tortilla-Chips mit Salsa und besprachen den Plan für meine Rückkehr nach Tucson. Es sollte der Freitag, eine Woche, nachdem Auroras Jahrgang die Schule abgeschlossen hatte, sein. Es musste ein Freitag sein, erklärte Bridgette …
    »… weil Großmutter immer freitags um vier ihren Tee gibt und alle Enkelkinder anwesend sein müssen«, unterbrach ich sie. »Das ist hier kein Wettbewerb; ihr müsst mir nicht alles vorbuchstabieren.«
    Bain lachte und sagte: »Unheimlich, genau wie Aurora«, doch Bridgette starrte mich nur an und sagte: »Ja, das war es.«
    Ich grinste sie an. Einen Moment herrschte ein unbehagliches Schweigen, dann fuhr sie da fort, wo sie abgebrochen hatte. »Du fährst mit dem Zug von Phoenix nach Tucson und nimmst am Bahnhof ein Taxi. Wenn du da bist, klingelst du an der Tür. Mrs March wird öffnen, und du bittest sie, das Taxi zu bezahlen. Das wäre typisch für Aurora, und es wird alle so sehr schockieren, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, dich nicht hereinzulassen.«
    Bain griff nach der leeren Chipsschüssel und kippte sich die Krümel in den Mund. »Die Fingerabdrücke. Die müssen sie sofort überprüfen, dann bist du aus dem Schneider. Aber es würde verdächtig aussehen, wenn du es selber vorschlägst, also werde ich es erwähnen, so als wollte ich dich provozieren. Wenn Großmutter dich akzeptiert, wird es die Familie auch tun.«
    Mir fiel auf, dass sowohl er als auch Bridgette das Wort Familie auf eine ganz besondere Weise aussprachen, so als wäre sie durchgehend in Großbuchstaben geschrieben und anders als jede andere Familie auf dieser Welt.
    »Ist die Familie eine Art Kult bei euch?«, fragte ich scherzhaft.
    Doch Bain lachte nicht. »Die Familie ist das Allerwichtigste. Man muss alles tun, um sie zu schützen.«
    »Ja, das muss man«, pflichtete Bridgette ihm mit einem seltsam harten Blick bei. Dann wandte sie sich wieder mir zu. »Bleibt nur die Umarmung.«
    »Die Umarmung?«
    »Großmutter besteht darauf, dass wir sie beim Tee umarmen, aber Aurora fand das immer furchtbar und weigerte sich. Wenn du hereinkommst und sie nicht umarmst, könnte es aussehen, als würdest du das Ritual nicht kennen. Wenn du’s tust, wäre es andererseits untypisch für Aurora.«
    »Hä?«
    »Dann müssen wir eben improvisieren«, sagte Bridgette und drehte den Ring an ihrem Finger. Etwas nicht planen zu können machte sie eindeutig nervös.
    »Vielleicht könnte es einer von uns ansprechen«, schlug Bain vor. »Wir haben uns gedacht, wenn Bridgette und ich die eloquentesten Zweifel an dir äußern, könnten wir so die Situation kontrollieren.«
    »Eloquent. Schickes Wort«, sagte ich.
    Er zwinkerte mir zu. »Ich habe einen Büchereiausweis.«
    Obwohl ich ihnen nicht vertraute und sie nicht mögen wollte, war in den vergangenen drei Wochen eine seltsame Nähe zwischen uns entstanden. Eine Nähe, die ich nicht zulassen durfte.
    Ich beschloss, sie zu zerstören.
     
    Der nächste Tag war der Freitag genau eine Woche vor meiner geplanten Rückkehr. Bridgette fuhr mich nach Phoenix zum Friseur. Mein Haar sollte in einem hellen Braunton gefärbt, geschnitten und genauso wie Auroras gescheitelt werden.
    Sie gab mir auch Geld für ein Outfit, das ich bei meiner Rückkehr tragen sollte, denn meine eigenen Sachen waren nicht mehr zu gebrauchen. Etwas aus dem Gästehaus konnte ich natürlich auch nicht tragen.
    Im Einkaufszentrum besorgte ich mir eine formlose, graue Jacke mit dreiviertellangen
Ärmeln, wie alte Ladys sie gerne trugen, einen mitternachtsblauen, mit Pailletten besetzten unmöglich kurzen Minirock, ein ärmelloses, perlgraues Seidentop, schwarze Peep-Toe-Pumps mit Riemchen am Knöchel, schwarze Handschuhe, die bis über den Ellenbogen reichten, zwei dicke

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