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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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Armbänder und eine Fake-Pilotenbrille. Die Jacke reichte nur so gerade bis zum Saum des Minirocks. Das war definitiv
kein
Outfit für einen Tee.
    Aber perfekt für eine Party.
    Denn ich hatte nicht vor, mich mit Bridgette zu treffen. Ich hatte etwas anderes im Sinn.
    Ich kam gerade an einem der kleinen Modeschmuckstände vorbei, die es in allen Einkaufszentren gibt, als mir ein Anhänger auffiel. Er sah wie ein schimmernder orangefarbener Schmetterling aus. Das Schmuckstück war teuer, aber ich konnte nicht die Augen von ihm lassen.
    »Das ist ein Monarch«, sagte der Verkäufer und kam mir etwas zu nah, als er mir die Kette um den Hals hängte. Er war jung, mit dunklen Augen und Haaren, einem Dreitagebart und einem trägen, selbstsicheren Lächeln, das erkennen ließ, dass seine Annäherungsversuche gewöhnlich von Erfolg gekrönt waren.
    Er sprach Englisch mit einem leichten Akzent. Als ich stehen geblieben war, hatte er in einer Sprache telefoniert, die wie Hebräisch klang. Er sagte: »Sie sind etwas Besonderes, nämlich Wanderfalter.« Er trat zurück und tat, als würde er den Anhänger betrachten, während es ihm in Wirklichkeit um meine Brüste ging. »Für meine Leute, die amerikanischen Ureinwohner, ist der Monarch ein Symbol der Veränderung. Des Abenteuers.«
    Er war ebenso wenig ein amerikanischer Ureinwohner wie ich ein Liger. »Tatsächlich?«, fragte ich und machte große Augen.
    Er nickte. »Du siehst aus wie ein Mädchen, das ein kleines Abenteuer gebrauchen könnte.«
    Mein spontaner Gedanke war, mich einfach umzudrehen und wegzugehen. Ich, Eve Brightman, konnte es mir nicht leisten, Aufmerksamkeit zu erregen und mit Leuten Spielchen zu spielen. Ich hatte die vergangenen Jahre damit zugebracht, möglichst unsichtbar zu sein.
    Aber jetzt bin ich Aurora
, dachte ich.
Und wer reich ist, kann es sich leisten, alle möglichen Spiele zu spielen.
    Also bedachte ich den Mann mit Auroras kokettem Lächeln. »Wer könnte nicht ein kleines Abenteuer gebrauchen? Gibt es einen Rabatt?«
    Zu meinem Erstaunen klappte es. Er riss die Augen auf, und seine Hand griff nach meinem Unterarm. »Kommt drauf an. Wie wär’s mit einem Rendezvous heute Abend, Schmetterling?«
    »Sicher«, log ich. Ich bekam zwanzig Prozent Rabatt und verschwieg, dass Schmetterlinge nachts nicht fliegen.
    Beim Friseur fragte ich die Frau, die mir die Haare färbte, nach dem Weg zum Hauptbahnhof und ließ ihn mir sogar aufschreiben, damit sie sich auch sicher daran erinnern konnte, dass ich dort hinwollte, sollte jemand danach fragen. Erstaunlich, wie nett die Menschen waren, wenn sie einen für reich hielten. Ich tat, als müsste ich auf die Toilette, schlich mich, ohne zu bezahlen, durch die Hintertür des Ladens, kletterte über einen Zaun und benutzte den Plan, den ich aus den Gelben Seiten gerissen hatte, um den Weg zum Busbahnhof zu finden.
    Ich zögerte, als ich davorstand. Meine Mutter hatte Busse geliebt. Als ich klein war, waren wir einen Monat lang Bus gefahren, und wann immer ich sie fragte, wohin wir wollten, sagte sie nur »weiter weg«. Als ich den Bahnhof sah, kribbelte es mir in den Fingerspitzen, als suchte ich nach einer Hand, die ich festhalten konnte, und meine Kehle wurde eng.
    Aber ich durfte jetzt nicht an meine Mutter denken. Ich musste mich von Eve verabschieden, um wirklich Aurora zu werden.
    Was würde Aurora tun
?, fragte ich mich, und die Frage ging mir noch durch den Kopf, als ich gegenüber vom Bahnhof eine Kneipe bemerkte. Drinnen war es kühl und dämmrig, es gab eine lange Theke mit gepolsterten Drehhockern. Der Barkeeper war sich nicht sicher, ob er mich bedienen wollte, doch ein Mann drei Hocker weiter sagte: »Gib der Lady ihr Bier, Art.« Und das machte Art dann.
    »Ich bin Jerry«, sagte der Mann auf dem Hocker. »Worauf trinken wir?«
    »Auf Eve«, antwortete ich.
    »Deine Freundin?«
    »Das war sie lange Zeit.«
    »Ist ihr was zugestoßen?«
    »Es war Zeit für sie zu gehen.«
    »Also, dann auf Eve«, sagte Jerry.
    »Auf Eve.« Wir stießen mit unseren Flaschen an.
    »Hübsche Kette. Monarch, oder?« Er wartete meine Antwort nicht ab. »Interessante Geschöpfe. Wusstest du, dass sie giftig sind?«
    »Nein.«
    Er zwinkerte mir zu. »Natürlich nur für ihre Feinde.«
     
    Die Sonne ging unter, als der Bus zwei Stunden später Phoenix verließ. Ich schaute aus dem Fenster, vorbei an Eves – jetzt Auroras – Spiegelbild und hinein in die gähnende Dunkelheit, die dahinterlag.

Zweiter Teil

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