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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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hinaufführte, desto größer wurden die Häuser, und desto stärker wuchs auch meine Nervosität. Ich klopfte mit den Fingern auf den schwarzen Vinylsitz des Taxis und drückte meine Stirn, die plötzlich warm geworden war, an die Fensterscheibe. Ich hoffte auf Abkühlung, doch es gab keine.
    Als der Taxifahrer vor dem Haus hielt, dessen Adresse ich genannt hatte, überkam mich jäh
eine solche Angst, dass mir beinahe schwindlig wurde.
Warum machst du das?
,
fragte eine Stimme in meinem Kopf. Bains und Bridgettes Idee war doch in Ordnung gewesen; sie hätte funktioniert.
Warum überstürzt du dann alles, warum so, warum heute Abend …?
    Ich kannte die Antwort, obwohl ich sie mir bis jetzt nicht eingestanden hatte. Ich wollte mich nicht an den Plan von Bain und Bridgette halten, wollte mit einem Paukenschlag in Tucson auftauchen, statt einfach zum Tee hereinzuschlendern. Die Teezeit ist dieser träge, in der Schwebe hängende Augenblick des Tages, in dem schräge Schatten fallen und die Wirklichkeit sich mühelos in etwas anderes verwandeln kann. Menschen tun Dinge, die sie um die Teezeit sanft bereuen.
    Nachts jedoch – wenn man nachts etwas bereut, ist die Reue nicht sanft. Das »Was wäre wenn?« ist zur Teezeit noch ein Kinderspiel, etwas, das das Gespräch am Laufen hält, doch bei Nacht wird es zu einem lockenden Flüstern hinter einer angelehnten Tür in deiner Psyche. Die Nacht ist das dunkle Theater, bevor sich der Vorhang hebt, erfüllt von fremdem Husten und Körpern, die sich bewegen, und unbekannten Dingen, die wunderbar oder erschreckend oder beides zugleich sein können. Sie ist flüchtig, faszinierend und zutiefst einsam. Sie passte perfekt zu Aurora, der neuen Aurora. Sie musste nachts zurückkehren.
    Doch als ich nun im Taxi saß und auf das Herrenhaus vor mir starrte, wurde mir klar, dass ich es auch aus Angst getan hatte. Weil ich mich, wenn ich zum Tee mit der Familie aufgetaucht wäre, immer noch hätte davonstehlen können. Wenn ich jedoch auf diese Weise zurückkehrte, würde es keine Flucht mehr geben. Ich hätte mich endgültig entschieden.
    Ich hatte mir die Adresse aus dem Absolventenverzeichnis der Sonora Heights Academy herausgesucht, für einen Moment glaubte ich jedoch, ich hätte mich geirrt: Das Haus war gewaltig und augenscheinlich schick, doch der gesamte Vorgarten sah aus wie eine Baustelle. Und es brannte kein Licht.
    Der Taxifahrer, der den Motor die ganze Zeit laufen gelassen hatte, schien meine Bedenken zu teilen. »Wollen Sie wirklich hierhin?« Er sah mich fragend im Rückspiegel an.
    Er meinte die Adresse, aber seine Frage hallte in meinem Kopf wider. »Wollen Sie wirklich hierhin?« Noch könnte ich kehrtmachen und wieder nach Phoenix fahren, Bain oder Bridgette anrufen und sie bitten, mich abzuholen, und dann wie geplant zum Tee erscheinen …
    Da entdeckte ich am Ende der Baustelle eine wehende Pagode aus violetter Seide, unter der sich anscheinend ein Weg verbarg. Das musste der Eingang sein. »Ja«, sagte ich. »Ich will hierhin.« Ich bezahlte, holte tief Luft, flüsterte: »Los geht’s, Aurora« und schritt unter der Pagode hindurch und den mit Teelichtern beleuchteten Weg entlang, geradewegs hinein in Coralee Golds Abschlussparty.
     
    Es war, als beträte man ein Filmset. Um den Swimmingpool herum war alles mit Orientteppichen ausgelegt, und auf dem Wasser trieben Kerzen. Leuchtend bunte Seidenkissen waren um niedrige, achteckige Tische mit Wasserpfeifen darauf angeordnet, und mannshohe, schmiedeeiserne Kandelaber in exotischen Formen trugen dicke, weiße Kerzen. Männer mit nacktem Oberkörper, eingeölter Brust und bauschigen Haremshosen standen reglos wie Statuen mit verschränkten Armen hinter Tischen, die sich unter Getränken und Essen bogen. Eine leichte Brise ließ die Blätter rascheln und die Kerzen flackern, irgendwo in der Ferne erklang ein Windspiel. Ansonsten gab es keine Bewegungen oder Geräusche. Es war wie der Augenblick, bevor der Regisseur »Action« ruft.
    Ich wusste, dass die Party schon vor über einer Stunde begonnen hatte, doch es waren keine Gäste zu sehen. Ich schaute zu der Terrasse hinter dem Pool hinüber, wo ein gewaltiges, rosa-weiß gestreiftes Zelt über einer Tanzfläche errichtet war. Dort drängten sich Leute und schauten feierlich in die Mitte. Ich trat näher und stellte mich auf Zehenspitzen, um besser sehen zu können.
    Die Menge bildete ein Hufeisen, und in der Mitte saß eine Frau auf einem Stuhl. »Stuhl« ist

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