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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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sollen, fragte ich: »Wieso?«
    »Weil ich da im Dienst bin. Ich hab’s nicht gern mit verwöhnten Mädchen oder Feiglingen zu tun.«
    »Woher wollen Sie wissen, dass ich ein Feigling bin?«
    »Du bist weggelaufen, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Da hat wohl jemand Probleme mit vernachlässigten Kindern.« Er reagierte nicht, auch seine Miene blieb unverändert. »Außerdem hecke ich nichts aus.«
    »Ich habe fünf jüngere Schwestern. Ich weiß, wenn jemand was ausheckt.« Er schloss die Handschellen um meine Gelenke. »Komm mit.«
    Als wir wieder in den Wachraum traten, saß ein weiblicher Detective in Hose und blauem
Button-Down-Hemd am Schreibtisch. Links von ihr war ein schmaler, dunkelhaariger Mann in Khakihose und Pullover. Er sah aus wie ein gutgekleideter Mathelehrer, doch dank meiner Lernkarten erkannte ich Thomas Trident [ 38 , Familienanwalt der Silvertons, hat kürzlich Tante Claire geheiratet, mag Oldtimer und Kochen, mag keine Onkel-Tom-Witze, Vermögen abhängig von Ehevertrag].
    Neben ihm stand eine Frau, so aufrecht, als hätte sie Stahl in der Wirbelsäule; es war die Frau, wegen der ich hergekommen war.
    Althea Bridger Silvertons Haare sahen aus wie ein überraschend eleganter, silberner Helm. Obwohl es fast Mitternacht sein musste und man sie vermutlich aus dem Bett geholt hatte, trug sie einen silbernen Anhänger zu ihrer roséfarbenen Rüschenbluse, und die beige Hose hatte eine messerscharfe Bügelfalte. Ihre schmächtige Figur und starre Haltung zeugten von einer Krankheit, aber an ihr wirkte es dennoch glamourös. Vielleicht lag es an der großen Brille mit den getönten Gläsern, aber flüchtig sah ich ein Bild vor mir: Sie an einem weißgedeckten Tisch in einem schicken Pariser Bistro, wie sie winzige Salatstückchen auf ihrem Teller herumschob, Chablis nippte und lächelte, während Männer mit dünnen Zigarren ihr witzige Dinge erzählten und sie umwarben wie einen alternden französischen Filmstar. Nur ihre Knöchel, die die Kette ihrer Chanel-Tasche umklammerten, verrieten ihre Unruhe.
    Würde sie glauben, dass ich ihre Enkelin war? Die Polizistin, Ainslie, sagte: »Wir überprüfen noch die Fingerabdrücke …«, doch Althea brachte sie zum Schweigen, indem sie einen perfekt manikürten Finger hob.
    Langsam durchquerte sie den Raum, kam auf mich zu. Die Luft schien mit jedem Schritt dichter zu werden, schwer und von Gardenienduft erfüllt. Nur wenige Zentimeter vor mir blieb sie stehen und schaute mich eindringlich durch die getönte Brille an.
    Mein Mund wurde trocken. Mein Herz raste. Ihr Gesicht war eine undurchdringliche Maske. Ohne ihren Ausdruck zu verändern, streckte sie die Hand aus und schlug mich heftig ins Gesicht. »Wie kannst du es wagen, so zurückzukommen?«
    Willkommen zu Hause, Aurora.
    »Althea, wir sollten wenigstens auf die Fingerabdrücke warten …«
    »Halt den Mund, Thomas«, blaffte sie. »Sie ist es. Niemand sonst hätte den Mumm, sich so zu benehmen. Komm mit«, sagte sie und ging zur Tür. »Das regeln wir unter uns.« Ich hörte den Zorn in ihrer Stimme, hätte aber beschwören können, dass auch eine gewisse Aufregung darin mitschwang.
    Als wir die Polizeiwache verließen, gruben sich ihre Fingernägel tief in meinen Arm.

12. Kapitel
    S o blieben wir, ich dicht neben ihr, bis wir die Stufen der Polizeiwache hinuntergeschritten waren und auf einen davor wartenden großen, dunkelblauen Mercedes zuhielten. Als Althea nur noch wenige Schritte entfernt war, stieg ein Mann an der Fahrerseite aus und öffnete ihr die Tür.
    Auf allen Fotos, die ich von Arthur Redmond [schon vor Auroras Geburt Silvertons Chauffeur, fuhr aus Liebe zum Job, Nettovermögen über 3  Millionen Dollar] kannte, steckte sein großer, mahagonifarbener Körper in einer marineblauen Uniform mit zwei Reihen Goldknöpfen. Heute trug er jedoch eine khakifarbene Hose, ein rosa-weiß gestreiftes Hemd mit offenem Kragen, einen braunen Gürtel mit einer Schnalle aus Sterlingsilber und Slipper mit verspielt aussehenden, aufgestickten Terriern.
    Althea wandte sich zu ihm und sagte seufzend: »Tut mir leid, du musst später noch einmal kommen und Thom abholen.« Als wäre das das größte Problem in dieser Nacht.
    »Natürlich, Ma’am«, erwiderte er und wandte sich dann an mich: »Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Miss, falls ich das sagen darf.«
    »Vielen Dank, Arthur«, erwiderte ich. Ich hatte seinen Namen spontan verwendet, doch als Althea und er einen raschen Blick wechselten,

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