Geisterblumen
jemanden im Flur gesehen?«
»Ich habe von der Küche aus die Hintertreppe genommen. Ich war ganz allein.«
Ich rief mir den Grundriss des Hauses ins Gedächtnis. Es gab die Vordertreppe, die ich hinaufgegangen war, und eine weitere, die mit der Küche verbunden und ursprünglich für die Dienstboten angelegt worden war. Daran hatte ich nicht gedacht, aber laut Bain war dort niemand gewesen. »Dann muss ich wohl geträumt haben.«
»Vermutlich«, sagte er, sah mir zu, wie ich ins Bett zurückkroch, und schien bereits das Interesse zu verlieren. »Vor allem nach dem, was das Medium auf Coralees Party gesagt hat. Das war schon der Hammer.« Er ging in Auroras Zimmer – meinem Zimmer – umher und nahm den einen oder anderen Gegenstand in die Hand. »Es war ganz schön clever von dir, auf der Party aufzutauchen und dich von der Polizei mitnehmen zu lassen. So haben sie deine Fingerabdrücke überprüft, ohne dass wir nachfragen mussten. Jedenfalls nachdem sie sich von der Erkenntnis erholt hatten, dass du von den Toten auferstanden bist. Dürfte sich toll auf YouTube machen.«
»Ich wusste nicht, dass Coralee ein Medium engagiert hatte. Das war in meinem Plan nicht vorgesehen.«
Er setzte sich an den Schreibtisch und drehte sich mit dem Stuhl erst nach rechts und dann
nach links, wobei er die Spitze des Zeigefingers auf dem Tisch balancierte. »Ja. Erzähl mir davon. Von deinem
Plan
. Wie bist du auf die Idee gekommen, auf der Party zu erscheinen, statt es so zu machen, wie wir es besprochen hatten?«
»Es schien besser zu eurer Cousine zu passen«, sagte ich mit einem Achselzucken. »Der große Auftritt. Außerdem glauben die Leute etwas eher, wenn sie dazu gezwungen werden.«
Noch während ich das sagte, wurde mir klar, dass ich zu viel verraten, zu viel von meinem Plan preisgegeben hatte. Bei Bridgette wäre das ein schwerer Fehler gewesen. Sie hätte erneut an mir gezweifelt, nachdem ich mich so bemüht hatte, ihre Bedenken zu zerstreuen. Aber Bain schien nichts zu merken. Er deutete auf meine verbundene linke Hand, die auf der Bettdecke lag. »Du bist verletzt.«
Ich hielt sie hoch. »So wird niemand erwarten, dass ich Tennis oder Klavier spiele.«
Er stieß einen leisen Pfiff aus. »Clever.« Dann wurde er wieder nachdenklich. »Ich verstehe nur eins nicht. Weshalb hast du es Bridgette und mir nicht erzählt? Wir wären einverstanden gewesen.«
»So war eure Überraschung wenigstens echt.«
Er lachte auf. »Und ich dachte, du wolltest uns zeigen, wer am längeren Hebel sitzt.«
»Du verwechselt mich wohl mit deiner Schwester. So clever bin ich nicht.«
Er warf mir einen schnellen, wachsamen Blick zu. »Von wegen.« Dann öffnete er die Schreibtischschubladen und stocherte mit einem Finger darin herum. »Vergiss nicht, dass wir ein Team sind. Wir arbeiten zusammen, verstanden?«
»Verstanden.«
Noch ein wachsamer Blick. Er hob eine rosa Spardose in Form einer Katze heraus, schüttelte sie und stellte sie wieder zurück. »Bridgette ist natürlich auf hundertachtzig. Sie hat ungefähr sechs Stunden am Bahnhof verbracht, um herauszufinden, wohin du verschwunden warst. Sie hasst es, wenn Leute sich nicht an ihre Pläne halten.«
Das Adrenalin war wohl aus meinem Körper verschwunden. Ich fühlte mich wieder erschöpft und gähnte. »Ich hab’s kapiert.«
»Sie wird sich schon wieder beruhigen. Jetzt, wo du hier bist, ist der Druck weg. Da Großmutter dich nach Hause geholt hat, müssen alle anderen dir auch glauben. Heute Abend war ein Triumph. Jetzt müssen wir nur noch zwei Hürden nehmen.« Er hob einen Finger. »Erstens, die Begegnung mit der Familie. Das sollte nicht zu schwierig sein. Und zweitens, die Fragen der Polizei. Sie werden wissen wollen, was passiert ist und wo du die ganze Zeit gewesen bist.«
»Tut mir leid, Officer, ich kann mich an nichts erinnern«, flötete ich, dann kehrte ich zu meiner eigentlichen Stimme zurück. »Ich weiß, was ich zu sagen habe.«
»Nur nicht übermütig werden. Wir können es uns nicht leisten, dass du ihre Aufmerksamkeit erregst.« Das Wort »wir« schien in der Luft zu hängen und unsere Komplizenschaft zu betonen. Er war mit dem Schreibtisch fertig und schaute jetzt in meine Richtung, doch ich hatte nicht das Gefühl, dass er mich sah, vielmehr etwas in seinem Kopf.
»Hör mal, ich bin müde. Darf ich jetzt schlafen?«
»Oh, sicher, natürlich.« Er rührte sich nicht. Saß einfach nur da und starrte mich an.
»Was ist?«, fragte ich. »Warum
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