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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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leer.
    Vollkommen leer.
    Doch der Türknauf hatte sich bewegt, jemand hatte geflüstert. Ich hatte gesehen …
    Die Geister werden sich rächen,
hörte ich das Medium sagen.
    Das sind keine Geister
, mahnte ich mich.
Es gibt keine Geister.
Meine Finger zitterten, und ich spürte meinen Herzschlag im ganzen Körper. Jemand musste hier gewesen sein. Ich würde ihn finden. Vermutlich spielten Bain und Bridgette mir einen Streich. Vielleicht war es Teil ihres Plans, mir Angst einzujagen, mich in den Wahnsinn zu treiben, mich glauben zu lassen …
    Was?
    Egal, ich würde es nicht zulassen.
    Ich schritt langsam den Teil des Korridors ab, den ich noch nicht kannte, und strich dabei mit der Hand über die Holztäfelung. Ich ließ mir Zeit, der Strahl der Taschenlampe meißelte sich in die leeren Schatten. Nach jedem Schritt hielt ich inne und lauschte, hörte aber nichts außer meinen eigenen Atem. Nach vier Schritten umhüllte mich plötzlich Kälte, als wäre ich durch einen kühlen Luftzug gegangen, und ich roch einen Hauch von Jasmin. Ich trat vor, die Luft war wieder warm. Ich trat zurück, und die Kälte schlug über mir zusammen. Umarmte mich.
    Ich erinnerte mich an alle Geistergeschichten, die ich je gelesen hatte, und meine Haut begann zu kribbeln. »Hallo«, flüsterte ich. »Ist da jemand?«
    Keine Antwort.
    Ich wusste, dass hier niemand sein konnte. Dass dies einfach ein Ort war, an dem sich kühle Luft sammelte, eine architektonische Besonderheit.
Es gibt keine Geister
, wiederholte eine Stimme in meinem Kopf.
    Dann hörte ich neben mir ein Geräusch. Deutlich. Schlurfende Schritte.
    Es
musste
noch jemand hier sein.
Nur war ich zweifellos allein.
    Ich schwang die Taschenlampe umher, der Strahl brach sich an den Wänden. Der Korridor war verlassen. Doch noch während ich dastand und sah, dass ich allein war, hörte ich die Schritte erneut, genau vor mir. Und dazu ein leises, unregelmäßiges Geräusch. Zuerst dachte ich, dass jemand schluchzte. Doch dann erkannte ich ein … Kichern. Ein entsetzliches, irres Kichern.
    Die Taschenlampe beschrieb einen wilden Bogen in meinen zitternden Händen, als ich durch die kalte Stelle zurück in mein Zimmer rannte und die Tür hinter mir zuschlug.
    Meine Finger machten sich ungeschickt am Schloss zu schaffen, und es gelang mir erst nach
drei Versuchen, die Tür abzuschließen. Ich stand da und dachte:
Die Schritte waren genau neben mir. Aber der Flur war leer, also ist es unmöglich.
Ich zwang mich, rational zu denken, als könnte ich mit einem Tunnelblick die Angst überwinden. Während ich das dachte, rieb ich wie wild an meinen Armen, um die Gänsehaut zu vertreiben, und meine Zähne klapperten so laut, dass ich meinen eigenen Herzschlag nicht hörte.
    Es gibt keine Geister
, wiederholte ich wieder und wieder.
Es gibt keine Geister.
    Ich war gerade wieder zu Atem gekommen, als sich einer der Schatten in der Nähe des Bücherregals von den anderen löste, undeutlich Gestalt annahm und auf mich zukam.
    »Hallo, Aurora«, flüsterte er und griff nach mir.

15. Kapitel
    I n dem Sekundenbruchteil, bevor ich losschrie, entpuppte sich der Schatten als Gestalt in schwarzem Kaschmirpulli und weißgebleachten Zähnen. Bain.
    »Was hast du dort draußen gemacht?«, fragte er.
    Mein Entsetzen verschwand und hinterließ eine Mischung aus Zorn und Erleichterung. »Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht?«, flüsterte ich wütend und boxte ihn gegen den Bizeps. »Sollte das ein Scherz sein?«
    »Autsch.« Er wich zurück und rieb sich den Arm. »Was soll ein Scherz gewesen sein?«
    Er klang unschuldig, aber das kaufte ich ihm nicht ab. »Dass du am Türknauf gerüttelt hast. Dass du dich als Geist ausgegeben hast. Warum hast du nicht einfach angeklopft und gesagt, wer du bist?«
    Selbst im Dunkeln erkannte ich, dass er die Stirn runzelte. »Weil die Tür offen war, als ich kam. Wovon redest du eigentlich?«
    Ich bemerkte, dass die Kanten der Taschenlampe in meine Hand schnitten, weil ich sie so fest umklammert hielt. »Du warst nicht derjenige, der die Tür aufmachen wollte? Der am Knauf gedreht hat?«
    »Nein. Das musste ich nicht. Wie gesagt, die Tür stand offen. Was ist passiert?«
    »Nichts. Nur das. Ich bin aufgewacht, und der Türknauf drehte sich. Das habe ich zumindest geglaubt. Aber als ich die Tür aufgemacht habe, war niemand da.« Ich zwang mich, die Finger um die Taschenlampe zu lockern. »Ich dachte, ich hätte die Tür abgeschlossen. Woher bist du gekommen? Hast du

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