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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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und schob ihn in die Schublade. »Es ist seltsam, wenn man sich an nichts erinnern kann. Ich weiß, es ist lange her, aber ist Ihnen etwas Ungewöhnliches an mir aufgefallen, bevor ich gegangen bin?«
    Sie erstarrte. »Warum willst du das wissen?«
    Ich spürte, dass die Frage sie verstört hatte, wusste aber nicht, warum. »Es ist nur … es ist schwer, nichts zu wissen. Als wäre einem schwindlig. Ich hoffe, ich kann alles wieder zusammenfügen.«
    Sie stieß vorsichtig die Luft aus. »Am Morgen, bevor du und Liza verschwunden seid, bist du nicht zum Frühstück gekommen.« Sie sah mich an, ein Kissen vor der Brust. »Das war so untypisch für dich, dass ich nach dir gesehen habe, und du hast geweint. Du hast gesagt, dass du alleine sein möchtest.«
    »Wissen Sie den Grund?«
    »Mädchen weinen so nur aus einem einzigen Grund. Probleme mit Jungs.« Sie neigte den Kopf zur Seite, und ihr Blick wanderte in die Ferne, als kramte sie etwas aus ihrem Gedächtnis hervor. »Ich wusste, dass du etwas vorhattest; ich wusste nur nicht, mit wem. Ich habe versucht, es herauszufinden, aber du wolltest es mir nicht verraten. Und dann …« Sie atmete hörbar. »Und dann bist du verschwunden. Ich habe immer gedacht, ich hätte etwas unternehmen, dich zwingen müssen, es mir zu sagen, dass du dann vielleicht nicht weggelaufen wärst. Du hättest nicht …« Sie schlug die Hand vor den Mund.
    Ich trat auf sie zu. »Sie hätten nichts tun können«, sagte ich. Es waren nur Worte, ein schwacher Trost, und dennoch hoffte ich, sie würden ihren Zweck erfüllen. Ich mochte Mrs March. Sie lächelte angespannt und unsicher, dann nickte sie. Ich sagte vorsichtig: »Mir war nicht klar, dass Sie mein Geheimnis kannten.«
    Sie lachte. »Was glaubst du denn, wer als Erste die verräterischen Dreckspuren auf der Hintertreppe entdeckt hat, wenn du dich nachts hereingeschlichen hast? Du warst nie ordentlich.« Sie blickte auf das zerwühlte Bett und schüttelte den Kopf. »Du wälzt dich immer noch im Bett, wie ich sehe.«
    »Ich konnte nicht einschlafen«, antwortete ich. Bevor ich mich ermahnen konnte, dass die Geschichte mit dem Türknauf nur ein Traum gewesen war, hatte ich schon gefragt: »Wir haben nicht zufällig einen verrückten Verwandten auf dem Dachboden, oder?«
    »Ich glaube, so weit ist es noch nicht mit deiner Großmutter gekommen, aber ich will nicht bestreiten, dass einige deiner Verwandten es verdient hätten.« Sie strich das Laken gerade, legte die Daunendecke darüber und griff nach dem Kissenstapel. »Wieso?«
    »Gestern Nacht habe ich gedacht, jemand wollte in mein Zimmer eindringen. Der Türknauf hat sich gedreht. Da habe ich mich gefragt, ob sonst noch jemand hier oben sein könnte.«
    Sie hatte sich gerade über das Bett gebeugt, in der Hand ein kleines Kissen, das mit silbernen Perlen bestickt war. Sie sog scharf die Luft ein und ließ das Kissen fallen, das auf dem Boden landete. Ich bückte mich danach. Als ich es ihr zurückgab, wich sie meinem Blick aus und legte es sorgfältig zu den anderen.
    »Ich bin mir sicher, dass nur der Wind durch ein Fenster geweht hat, das zufällig offen stand«, sagte sie und wandte sich ein wenig ab. »Dieses alte Haus knirscht wie mein Rücken an einem Dezembermorgen.« Als sie lachte, klang es beinahe echt. Ich lachte mit und fühlte mich einen Moment lang besser.
    Doch als sie sich umdrehte, um zu gehen, sah ich ihr Gesicht im Spiegel neben der Tür, und es war keine Spur von Lachen darin zu sehen. Ihre Augen huschten zum Türknauf, und tiefe Sorgenfalten zeichneten sich auf ihrer Stirn ab.

17. Kapitel
    I ch war mir nicht sicher, wie ich mich für eine polizeiliche Befragung und einen Ausflug ins Einkaufszentrum mit Bridgette kleiden sollte, und wusste schon mal gar nicht, wie sich die alte Aurora angezogen hätte. Also entschied ich mich für ein schlichtes, halblanges Kleid in Dunkelblau, das mit seinen weiten Ärmeln und zarten Rüschen am Ausschnitt wunderbar unschuldig wirkte. Dazu mit Nieten besetzte Motorradstiefel, um Bridgette notfalls eine Lektion zu erteilen.
    Die Ecke des Fotostreifens lugte aus der Schublade hervor, und ich nahm ihn heraus. Das musste der geheime Freund sein, wegen dem Aurora am Morgen vor ihrem Verschwinden geweint hatte. Ich steckte ihn in die Tasche des Kleides und verließ das Zimmer.
    Wegen des Familientreffens hatte ich mir eigentlich keine Sorgen gemacht, denn nach allem, was Bridgette und Bain mir erzählt hatten, zählte vor allem, dass

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