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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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Dr. Ellen Jackson vorstellte.
    Onkel Thom hingegen wirkte überrascht, zumindest schien er sich nicht ganz wohl in seiner Haut zu fühlen. »Mir war nicht bewusst, dass der Geisteszustand meiner Nichte untersucht werden soll. Darüber haben wir gestern Abend nicht gesprochen.«
    »Ich bin nur in beratender Funktion anwesend«, erwiderte Dr. Jackson. Sie sprach nicht mit der gewollt beruhigenden Therapeutenstimme, mit der ich gerechnet hatte, sondern ganz normal, was sie mir irgendwie sympathisch machte. »Ich habe große Erfahrung mit Fällen von Amnesie, und Detective Ainslie dachte, ich könne behilflich sein. Falls Sie nichts dagegen haben.« Sie sah mich an.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin offen für alles, was helfen könnte.« Ich versuchte eifrig, aber nicht übereifrig zu klingen.
    Onkel Thom war immer noch nicht zufrieden. »Wir stimmen zu, vorausgesetzt, wir können unsere Meinung jederzeit ändern.« Seine Reaktion überraschte mich – falls er mich für eine Hochstaplerin hielt, gäbe es keinen geschickteren Weg, um mich zu entlarven, als mich einer Expertin zu überlassen. Ich fragte mich, wovor er mich beschützen wollte.
    Als wir uns alle gesetzt hatten, sagte Detective Ainslie: »Warum erzählst du uns nicht einfach, was in der Nacht passiert ist, in der du verschwunden bist?«
    »Das kann ich nicht«, antwortete ich und beugte mich vor, um Offenheit zu signalisieren. Dann sagte ich in bedauerndem Ton: »Ich kann mich an nichts erinnern.«
    Dr. Jackson berührte die Ermittlerin am Ärmel. »Darf ich?« Sie schaute zu mir. »Was ist das
Erste
, an das du dich erinnerst, Aurora?« Etwas an ihr flößte mir Vertrauen ein, vielleicht dass wir unsere Arme auf genau die gleiche Weise hielten. Sie wirkte wie jemand, dem man sich anvertrauen konnte.
    Sei vorsichtig.
    Ich schaute auf meine Hände. »Vor etwa einem Monat putzte ich mir in Houston gerade die Zähne, und plötzlich wusste ich es.« Ich blickte rasch hoch und schaute Dr. Jackson mit feierlichem Ernst an. »Ich kann es nicht beschreiben. Es war … ich wusste auf einmal, dass ich Aurora Silverton heiße und aus Tucson komme.«
    Sie betrachtete mich eingehend. »Was hast du dann gemacht?«
    Das größte Problem beim Lügen ist nicht, anderen in die Augen zu sehen. Man darf das Blinzeln nicht vergessen. Also blinzelte ich. »Ich bin in die Bücherei gegangen und habe nach … mir selbst geforscht. Das war sehr merkwürdig. Da habe ich herausgefunden, was passiert ist, die Sache mit dem Verschwinden und alles andere.«
    »Warum hast du dich nicht sofort mit deiner Familie in Verbindung gesetzt?«
    Ich schaute wieder auf meine Hände. »Zuerst war ich mir nicht sicher. Ich hatte Angst.
Sie … Sie wissen nicht, wie es ist, nichts über sich selbst zu wissen. Ich hatte gehofft, dass ich mich an mehr erinnern würde. Einiges kam auch, aber vor allem lang Zurückliegendes. Und unvollständig. Ich habe gedacht, ich müsste nur ein bisschen länger warten, dann würde es schon klappen. Ich hatte Angst. Ich wusste nicht, was passiert war. In den Zeitungen … überall standen ganz unterschiedliche Geschichten. In manchen wurde angedeutet, dass jemand versucht hätte, mich zu
ermorden
.« Ich legte viel Gefühl in dieses Wort und setzte eine schockierte Miene auf, die ich für diesen Augenblick geübt hatte.
    Sofort schlug Detective Ainslie zu: »Und du hast gedacht, es könnte ein Mitglied deiner Familie gewesen sein?«
    »Was? Nein!« Meine Stimme klang scharf und wurde lauter.
    Gleichzeitig erhob sich Onkel Thom von seinem Stuhl und verkündete: »Das hat sie nicht gesagt.«
    Dr. Jackson streckte die Hand aus, als wollte sie Ainslie sanft zurückpfeifen, und hielt die ganze Zeit über die Augen auf mich gerichtet. »Du warst verwirrt und unsicher. Erschüttert. Das ist ganz natürlich.«
    »Richtig«, stimmte ich dankbar zu. »Ich war erschüttert.«
    Detective Ainslie fragte: »Warum bist du zu einer Abschlussparty gegangen, statt zu deiner Familie nach Hause zu fahren? Hattest du vor jemandem Angst?«
    »Sollte ich das?«, wollte ich erwidern, doch Onkel Thom kam mir zuvor. »Falls das Ihre Vorgehensweise ist, werden meine Klientin und ich diesen Raum verlassen.«
    »Setzen Sie sich wieder, Mr Silverton«, sagte Detective Ainslie. »Das ist eine ganz legitime Frage.«
    Er gab nach.
    Ich sagte: »Ich bin mir nicht sicher, weshalb ich nicht hingefahren bin. Ich meine, es war doch auch meine Abschlussparty, oder? Und eine Art Test. Ich

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