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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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Entschluss gefasst zu haben. »Willst du hier weg und ein bisschen Spaß haben?«
    Mein erster Impuls war, mich zu bedanken und nach Hause zu fahren, doch bevor ich etwas sagen konnte, begriff ich, dass es die falsche Entscheidung gewesen wäre. So hätte Eve geantwortet. Also holte ich tief Luft und gab die richtige, die Aurora-Antwort. »Kommt drauf an, was du vorhast.«
    »Ich dachte, wir könnten ein bisschen auf Geisterjagd gehen.«
    Ich erstarrte. »Nicht noch eine Séance.«
    Er grinste. »Auf keinen Fall. Praktisch. Mit Ausrüstung.«
    »Was für eine Ausrüstung?«
    »Ist das wirklich der entscheidende Faktor für dich? Du hast die Gelegenheit, mit einer Geisterjägerlegende loszuziehen und meine aufregende Lebensgeschichte nach deinem Verschwinden zu erfahren, und du willst wissen, welche Spielzeuge wir verwenden? Vergiss es.« Er seufzte dramatisch. »Früher hätte dir schon meine Gesellschaft gereicht.«
    Ich kicherte und begriff, dass meine Belustigung zum ersten Mal echt war. Ich verstand, was Aurora an ihm gemocht hatte. »Nein, warte. Ich würde echt gern mitfahren. Ich meine, wenn du schon eine Legende bist.«
    »Du wirst es nicht bereuen«, versicherte er mir. »Ich hole den Wagen und fahre hinters Haus. Außer du möchtest einen Auftritt für die vier großen Fernsehsender und die beiden Klatschmagazine hinlegen, die draußen auf der Wiese kampieren.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Gib mir zehn Minuten. Und wenn es dir recht ist, kein Wort darüber. Ich will nicht, dass die anderen eifersüchtig werden.«
    »Du meinst, Coralee soll nicht erfahren, dass du früher gehst.«
    »Du unterstellst mir immer solch finstere Motive«, sagte er mit gespielter Verzweiflung.
    Ich schnappte mir meine Jacke, die ich über eine Stuhllehne gehängt hatte, konnte Bains Aufmerksamkeit lange genug von Scars Ausschnitt ablenken, um ihm zuzuwinken, und schlüpfte durch die Hintertür.
    Draußen war es warm und still. Ich stand auf einer gepflasterten Terrasse, die durch einen niedrigen Hügel, auf dem man das Buschwerk wild wachsen ließ, von der Straße getrennt war. In der Dunkelheit schien die Terrasse mit der übrigen Landschaft zu verschmelzen. Es gab einen eleganten Tisch mit vier Stühlen und drei riesige Blumentöpfe mit Zitronenbäumen, deren dunkelgrüne Blätter glänzten. Am Himmel hing ein Halbmond, und ein warmer, trockener Wind strich über meine Haut und machte ein Geräusch wie knisterndes Papier. Ich holte tief Luft und konnte Holzrauch riechen.
    Ich erinnerte mich, dass Onkel Thom von Buschfeuern gesprochen hatte, aber ich musste an ein anderes Feuer denken. An eine andere Stadt, den Rauch der Kamine, die im Herbst zum ersten Mal angezündet worden waren, und ich hörte Nina, die mich gefragt hatte: »Woher weißt du, in welche Richtung sie laufen?«
    Die Blätter am Baum, unter dem wir saßen, waren von einem unglaublich leuchtenden Gelb. Gelegentlich schwebte eins vor uns herunter oder in den Vorgarten, auf den wir blickten. Aus dem Schornstein des Hauses gegenüber quoll Holzrauch, und Nina saß in dem neuen violetten Parka, den ich für sie besorgt hatte, neben mir. Die Ärmel hatte sie aufgerollt, weil sie zu lang waren.
    Uns hatte das Haus gegenüber vor allem deshalb gefallen, weil sie nie die Jalousien herunterließen und einen großen Fernseher hatten und sich Dinge anschauten, in denen viel geküsst wurde. Heute Abend gab es aber einen Actionfilm, in dem Leute dauernd hin und her rannten und manchmal auch auf Pferden ritten. Bei unserem Spiel musste man eine Geschichte zu den Bildern erfinden, also ging es heute Abend um Leute, die vor den Bösen weglaufen, die sie zu hübschen Handtaschen verarbeiten wollen.
    Allerdings war Nina den ganzen Tag über launisch gewesen, und wenn sie so war, hatte sie immer etwas zu meckern. »Die könnten auch nach Hause gehen. Woher weißt du, dass sie vor etwas weglaufen und nicht zu irgendetwas hin? Von außen sehen sie gleich aus. Immer diese Rennerei.«
    »Die Titelmusik«, antwortete ich und kam mir ziemlich schlau vor. »Daran kann man es erkennen.«
    Sie sah mich feierlich und unerwartet lange an, bis sie schließlich sagte: »Du musst dir schon eine bessere Antwort überlegen.«
    Ich erinnerte mich plötzlich an den Klang ihrer Stimme und wie ihr Haar mich am Kinn gekitzelt hatte, als ich sie an jenem Abend ins Bett gebracht hatte, und an das Gefühl, jemandem zu gehören, jemandem wichtig zu sein, jemanden zu haben, dessen erstes Lächeln am Morgen

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