Geisterfahrer
rauswerfen will oder du nichts zu essen kaufen kannst, helfe ich dir gerne.«
»Das ist keine Hilfe.«
»Dann nicht.« Ich klicke die Verbindung weg und werfe das Telefon aufs Bett.
Etwas später wähle ich die Nummer, die mir Pepe gegeben hat. Eine Frau mit dunkler, aber wohlklingender Stimme erklärt mir, um was für eine Party es sich handelt, und das kommt mir irgendwie bekannt vor. Dann fragt sie mich, ob ich das könnte. Welche Musik ich mache.
»Was Sie wollen. Disco, Classics, Rock, Techno, House, HipHop, Mainstream, alles. Was wird da sonst gespielt?«
Ich habe ein bisschen hochgestapelt. Von Techno und House habe ich keine Ahnung. Und Hip-Hop habe ich zwar auf dem Rechner, aber die Mucke finde ich richtig scheiße.
»Ich organisiere das nur, und wir arbeiten seit Jahren mit denselben Haus-Discjockeys, aber für Freitag sind mir alle ausgefallen«, antwortet sie. »Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie man die Musik nennt.« Sie zieht hörbar an einer Zigarette. »Wahrscheinlich wären Sie richtig.«
»Super.«
»Na, dann probieren wir’s halt. Freitag, gegen acht? Ab neun ist Einlass.«
»Wie viele Leute kommen da?«
»So zweitausend.«
Ich schlucke. »Prima«, bringe ich heraus.
»Was brauchen Sie?«
»Nur ein Pult.«
»Das dürfte vorhanden sein. Also bis Freitag.«
Also bis Freitag.
13. Auflegen
Wenn man ehrlich ist, gibt es zwei Gründe dafür, wenn Leute keine Musikwünsche beim Plattenaufleger vortragen. Der zweite lautet: Die Mucke ist so unglaublich scheiße, dass keiner mehr von denen da ist, die sich Songs wünschen könnten.
Gut, es ist fast zwanzig Jahre her, aber ich hatte zwei Stunden zum Aufwärmen, und Gitta, die Organisationstante, schaut nur noch bedröppelt. Die Tanzfläche ist leer, die restlichen Leute drängen sich an der Bar, sitzen gelangweilt auf den Podesten am Rand oder stehen draußen auf der Freifläche in der puplauen Sommerabendluft. Ich war kurz unten, im Basement, auf dem Rückweg von der Toilette, und da tobt der Bär. Auf einer Tanzfläche, die eigentlich nur für dreißig reicht, drängen sich gute hundert. Dabei legt unten niemand auf; die Musik kommt von einem CD-Wechsler, der von den Barleuten bedient wird.
Anfangs hatte ich Probleme mit der Technik. Der Pegel meiner Soundkarte war viel zu niedrig, ein genervter Go-For musste die halbe Verkabelung ändern, wobei er mir ständig Blicke zuwarf, die aussagekräftiger waren als ein negatives Gutachten beim Idiotentest, und dann wusste ich einfach nicht, was ich tun sollte. Ich brauste durch mein elektronisches Schallarchiv und hatte bei jedem Titel Angst, ihn auszuwählen. Ich nudelte mich durch ein halbes Dutzend Achtziger-Songs, wozu zwei oder drei Frauen tanzten, dann verließen sie mich wieder.
»Bist du sicher, dass du das kannst?«, fragt Gitta.
Mir läuft der Schweiß die Gesäßritze runter, das Display meines Laptops verschwimmt vor meinen Augen, mehr als zwölftausend Titel, und kein einziger bringt irgendwen dazu, auch nur mit dem Kopf zu wippen.
»Ich habe lange pausiert«, sage ich schwach.
»Und wie lange? Neunzig Jahre?« Sie grinst abfällig, zündet sich
eine Zigarette an, nimmt gleichzeitig ein Mobiltelefon aus der Handtasche und geht kopfschüttelnd davon.
Depeche Mode. Depeche Mode geht immer. Ich rattere durch die Listen, schiebe »Never Let Me Down Again« auf den virtuellen Player, fade aus dem aktuellen Titel heraus, irgendeinem Schrott, den ich nicht einmal kenne, ich bin nur in Panik geraten, weil der vorige Schrotttitel zu Ende war. Ich ziehe die Lautstärke etwas hoch, das Intro ertönt, dann »I’m Taking A Ride With My Best Friend«. Zehn Leute gehen auf die wenig einladende Freifläche, beginnen mit eher nachlässigen Tanzbewegungen. Es ist, als würden sie nicht wirklich wollen. Aber dann kommen noch einige. Bei Titelmitte sind es fünfzig. Ich ziehe mir das T-Shirt aus der Hose, wische mir den Schweiß aus dem Gesicht und habe nicht die leiseste Ahnung, was ich im Anschluss spielen soll. Was habe ich damals gemacht? Auf Depeche? Was kann ich den Leuten zumuten? Im Prinzip alles, denn schlimmer kann es nicht werden. Ich suche fieberhaft nach Hits des laufenden Jahres, ich hätte den Krempel doch irgendwie vorsortieren sollen, schubse irgendwas mit »Stiller« in die Playlist; ich dachte eigentlich, das wäre so eine Elektropop-Nummer, dabei ertönt dieser WM-Schunkelhit, erstaunlicherweise ist es auf der Tanzfläche plötzlich proppenvoll.
Aber nicht für lange. Bei solchem
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