Geisterfahrer
grinsend.
Wir steigen in einen vollgemüllten, aber ziemlich neuen EDaimler. Er plappert vom Sudan und von seiner gutes deutsches Frau, die allerdings leider gestorben ist, »gleich nach Hochzeit«. Dann stehen wir in meiner ehemaligen Wohnung. Sie sieht aus, als wäre sie kürzlich Location für einen wirklich bluttriefenden Splatterfilm gewesen, die Wände sind mit Dreck in allen Farbschattierungen beschmiert, der Boden ist teilweise aufgerissen, es stinkt abartig, der Geruch ist kaum einzuordnen – irgendwo zwischen Schlachthausabfällen und Bahnsteigaschenbecher. Von der Decke hängen Dinge, die ich erst nicht erkennen kann, dann verstehe ich, dass es Spinn- und Staubweben sind, in denen sich Hunderte der Milliarden Fliegen verfangen haben, die kreuz und quer durch den Flur summen. Links ist die Küche, deren Boden nicht zu sehen ist, weil sich Abfälle bis auf Kniehöhe stapeln.
»Können wir über Miete reden. Müsste man was machen«, sagt
Müller und lacht krächzend.
»Haben Sie ’ne Vollmeise?«, frage ich, mache auf dem Absatz
kehrt, sprinte die Treppen hinunter, bis ich vor der Tür stehe und
wieder tief durchatmen kann. Jesus.
»Kann machen guter Angebot«, ergänzt Müller, der inzwischen
neben mir steht und sich das Gesicht mit einem Stofftaschentuch
abwischt.
Ich sehe ihn an. Er grinst.
»Flammenwerfer. Kammerjäger. Ein Rollkommando. Diese
Wohnung müsste man aus dem Haus herausoperieren und durch
eine neue ersetzen. Wer hat da gehaust? Eine serbische Terrorgruppe, die den Ernstfall geprobt hat?«
»Arme Leute«, sagt der Vermieter schulterzuckend. »Aber hallo. Fahren Sie mich zurück.«
»Wollen kein guter Angebot?«
Ich schüttle den Kopf.
»Dann auch nicht fahren zurück.« Er piept den Daimler mit der
Fernbedienung auf, klettert auf den Fahrersitz und schießt mit
quietschenden Reifen davon.
In einem hutzeligen Café in einer Nebenstraße der Hermannstraße trinke ich einen Latte Macchiato, der struppige und übernächtigt wirkende Kellner nennt es »Latte Matschato«; so was gab es in Nieder-Sengricht nicht, nur guten, urdeutschen Brühkaffee, von Ernst im Zum Elch oder Mama Trudchen. Und jetzt endlich wähle ich die Nummer von Egels Zettel. Es geschieht überhaupt nichts. Ich vergleiche das Display mit der Notiz und gebe die Ziffern mehrfach neu ein – immer mit demselben Ergebnis. Von der Telefonauskunft erfahre ich, dass es gar keine Festnetznummern gibt, die mit drei Fünfen beginnen. Ich starre auf den Zettel. Scheiß-Egel. Alles Verarsche.
Im Hotelzimmer suche ich abermals nach »Kuhlmann« im Berliner Telefonbuch. Es gibt einige Einträge ohne Vornamen oder mit Initialen, darunter ziemlich weit vorne einen, der »Kuhlmann, S. und M., Psychotherap. Praxis« lautet. »M.« könnte für Michael stehen. Einen Versuch ist es wert.
»Psychotherapeutische Praxis Kuhlmann«, sagt eine Frauenstimme. »Wir sind leider erst wieder am 24. Juli erreichbar. Nach dieser Ansage folgt leider keine Möglichkeit, eine Nachricht zu hinterlassen. In besonderen Fällen rufen Sie bitte unseren Kollegen …«
Mir fällt der Hörer herunter. Das ist Sabrinas Stimme. Wie geht das denn?
Sofort nachdem ich aufgelegt habe, klingelt das Telefon wieder. Es ist Frank. Er druckst rum, fragt, wie es mir geht, danach, wie ich »das mit Pepe« fand, wo ich an dem Abend noch gewesen bin und solche Sachen. Er will etwas.
»Frank, ich bin in Eile.« Ich habe keine Lust auf Smalltalk. »Was gibt es?«
»Ich wollte noch mal auf dein Angebot zurückkommen.«
»Angebot?«
»Na ja. Du weißt schon.«
Natürlich weiß ich es, aber ich bin plötzlich schrecklich genervt. In meinem Kopf rotiert es. Ich verstehe nicht, warum ich Sabrinas Stimme auf einem Anrufbeantworter gehört habe, der am Anschluss eines Kuhlmanns hängt.
»Bist du noch da?«, fragt Frank.
»Wie viel bräuchtest du?« Ich versuche, halbwegs höflich zu klingen, aber es fällt mir schwer.
Er nennt eine unverschämt hohe Summe.
»Und dieses Geld brauchst du wirklich? Und auch dringend?«
Am liebsten würde ich einfach auflegen.
»Ich habe da was in Aussicht. Todsicheres Geschäft.«
Er setzt zu einer Erklärung an, aber ich unterbreche ihn.
»Frank, du hast mich falsch verstanden. Ich habe angeboten, dir zu helfen, wenn du in Not bist. Ich finanziere dir keine Drogenkäufe im großen Stil oder so was.«
»Drogen?« Er lacht bitter. »Wer macht denn heute noch Geld mit verdammten Drogen ?«
»Ich will gar nicht wissen, was es ist. Wenn dich dein Vermieter
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