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Geisterfahrer

Geisterfahrer

Titel: Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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krächzend, wobei er Rauch ausatmet. Seine Zunge gleitet über die porösen Lippen. Nicht sehr schön anzusehen. Er dreht sich zum Tresen und bestellt ein Bier. Die junge Zapferin reagiert sofort, Pepe genießt die volle Aufmerksamkeit des gesamten Ladens.
Frank hält das Mobiltelefon am Ohr, spricht aber nicht mehr; er starrt Pepe an. Er sieht fassungslos und entsetzt aus. Wer weiß, was in meinem Gesicht vor sich geht.
»Frank, altes Scheißhaus«, sagt Pepe, inzwischen mit Bier ausgestattet. »Dich gibt’s also auch noch. Cooles Telefon. Wie alt ist dieser Anzug?« Pepe grinst, ein grausiger Anblick. »Aber du siehst großartig aus«, sagt er dann zu mir. »So hübsch wie eh und je.«
»Kann ich etwas für dich tun?«, frage ich.
»Scheiße, ja. Kennst du einen billigen Bestatter?«
Anfang der Neunziger hatte er versucht, seine Agenturtätigkeit auf die neuen Bundesländer auszudehnen, aber er hatte das Publikum falsch eingeschätzt und viel Geld in den Sand gesetzt. Danach promotete er eine Gitarrenrockband und kam so an härtere Drogen. Die Band löste sich auf, die Drogen blieben, Amphetamine, Koks und Heroin. Dann der endgültige Absturz. Heute lebt Pepe von Hartz IV und ein paar »alten Kontakten«, wie er es nennt. Er erzählt lakonisch, emotionslos, fast im Reportagestil, abgesehen von den zwei oder drei »Scheiße« pro Satz.
Frank hat schweigend zugehört, dann schnarrt sein Mobiltelefon, er verabschiedet sich wortlos, kurz darauf röhrt der Cinquecento von dannen. Pepe sitzt neben mir, er hält sich den Unterleib, an seinem Bier hat er bestenfalls genippt. Alle paar Sekunden fährt er sich mit der Zunge über die Lippen oder reibt in seinen entzündeten Augen herum.
»Wie lange hast du noch?«, frage ich endlich.
»Weiß der Geier. Tage. Wochen. Die Scheißärzte wollen sich nicht festlegen. Aber langsam wäre es mir lieber, es wäre einfach vorbei.« Er lacht hustend und zündet sich das nächste Zigarillo an.
»Hast du sonst jemanden von damals mal wiedergesehen?«
Er schüttelt den Kopf, der wie ein seitlich zusammengepresster Geierschädel aussieht, der Hut wackelt. »Würde ich auch nicht wollen. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Das Leben kommt immer von vorn.«
Dieser Satz rotiert noch in meinem Schädel, als ich sehr viel später auf dem Weg ins Hotel bin. Das Leben kommt immer von vorn. Keine Ahnung, ob das ein Zitat ist, aber er beunruhigt mich. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen.
Kann man nicht ?
Pepe wollte nicht über die »alten Zeiten« sprechen. Er hat erzählt, sich angehört, was mir passiert ist, und dazu genickt und gelacht. Er hat Frank weitgehend ignoriert. Dann ist er gegangen, die Verabschiedung klang sehr endgültig, aber er hat mir noch eine Telefonnummer gegeben. »Die suchen einen DJ für Freitag, eine Party in der Kalkscheune. Habe ich auch eher zufällig erfahren. Vielleicht ist das was für dich. Mehr kann ich nicht tun, ich bin nicht mehr am Scheißmarkt.«

12. Splatter
    Die Hotelbar ist geschlossen, ich nehme mir ein Bier aus der Minibar, setze mich aufs Bett und schaue auf die Lichter Neuköllns. Es sieht alles so ordentlich aus von hier oben. Da ich noch nicht richtig müde bin, schalte ich den Fernseher an und zappe durch vierzig Kanäle, bis ich endlich einschlafe und von Pepe träume, der mich durch kopfsteingepflasterte Straßen jagt und mir etwas Schmales, Längliches anbieten will, das er in seiner Hand hält. Er kommt immer näher, und da erkenne ich die Injektionsspritze. Dann sehe ich plötzlich Roland, meinen Kuckuckssohn, vor mir, der mir in nie gekannter Eloquenz einen Vortrag hält, von dem ich kein Wort verstehe. Als ich schließlich erwache, kommen die Stimmen aus der Glotze, ich halte sogar noch die Fernbedienung in der Hand. Licht scheint durchs Fenster. Ich bin verschwitzt, aber erstaunlicherweise ganz gut erholt, springe unter die Dusche und tropfnass wieder ins Zimmer, als das Telefon klingelt. Ibrahim Müller von der Hausverwaltungsgesellschaft will mich in einer halben Stunde abholen. Ich frühstücke rasch, setze mich in die Lobby und erwarte, wie angekündigt, einen schwarzen Mann.
    Ibrahim Müller ist wirklich sehr schwarz. Schlank, kräftig, gut gekleidet und kohlrabenschwarz. Fast erwarte ich, die klischeehaft blitzenden, superweißen Zähne zu sehen, als er mich begrüßt, aber sie sind gelbgrau, und seine dunkelbraunen Iris schwimmen auf rötlich-beigefarbenen, äderchendurchsetzten Augäpfeln.
    »Gehen wir Bude schauen«, sagt er

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