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Geisterfahrer

Geisterfahrer

Titel: Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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mehr, solche Clubs wie die, in denen du früher gearbeitet hast. Also gut, ein paar existieren schon noch. Das Adagio am Potsdamer Platz. Das Goya im Metropol. Nee, das ist ja schon wieder pleite.«
»Aha.«
»Du müsstest dir mal die Stadtmagazine anschauen. Viele thematische Sachen, wenn ich richtig informiert bin. Achtziger-Partys waren eine Zeitlang populär, aber ob das immer noch so ist, weiß ich nicht.«
Ich lächle. »Ich bin musikalisch durchaus auf dem neuesten Stand.«
»Du musst Pepe anrufen. Wenn er noch in Berlin lebt, weiß er auch, was abgeht.«
Ich nicke. »Das werde ich tun.«
Frank steht auf und sagt in der Bewegung: »Bin gleich wieder da.« Er grinst und geht auf die Brünette zu.
Das Publikum ist nett in diesem Laden. Es läuft etwas von Gotan Project. Dann entdecke ich einen Tisch, an dem drei Jungs sitzen. Sie spielen Skat.
Zwanzig Minuten später. Frank diskutiert mit der Brünetten, die ab und zu lächelt. Meine drei Skatpartner sind freundliche junge Menschen aus Heidelberg, Mannheim und noch so einem Nest, und sie spielen gut. Ich halte mich redlich, kann mich aber kaum konzentrieren. Als ich gerade einen wirklich lauen Karo ohne zwei siegreich beende, fällt mir plötzlich Pepes Nachname wieder ein. Ich verabschiede mich von den dreien und rufe die Mobilfunkauskunft an. Pepe hat tatsächlich einen Festnetzanschluss in Berlin.
Ich lasse es etwa zehn Mal klingeln und will gerade auflegen, als ich eine bekannte Stimme höre:
»Scheiße. Ja?«
»Hallo, Pepe. Hier ist Tim.«
»Wer?«
»Tim. DJ Frankenfurter.«
»Was? Tim? Der Tim? Tim?« Er macht zwei Silben daraus, Tihim, wie Jani-nö das getan hat.
Ein komisches Geräusch ist zu hören, dann ein Poltern und von weiter entfernt »Scheiße«.
Kurze Zeit darauf ist er wieder da.
»Hallo, Tim.«
»Dir ist das Zigarillo runtergefallen«, sage ich.
»Woher weißt du das?«
»Ich weiß es einfach.« Ich muss lächeln, und ein unglaublich warmes Gefühl bemächtigt sich meiner.
»Wo steckst du? Bist du noch in diesem Pissnest? Wie hieß das noch? Irgendwas mit senkrecht.« Er kichert.
»Nein. Ich bin in Berlin.«
»Scheiße. Wo?« Hat er früher auch so oft Scheiße gesagt?
Ich lese ihm den Namen der Bar vor.
»Scheiße, das ist um die Ecke. Touristenkneipe, oder? Bin in zwei Minuten da.«
Es dauert fast eine halbe Stunde, ich stehe am Tresen, Frank ist wieder bei mir, die Brünette hat sich verabschiedet, aber mein Pflegebruder telefoniert pausenlos, wobei er den Mund mit der linken Hand abschirmt.
Dann kommt Pepe.
Schlagartig wird es richtig leise in dem Laden, weil alle zur Tür starren und im Gespräch innehalten. Pepe trägt Weiß – einen weißen Anzug, weiße Schuhe, ein weißes Hemd und einen weißen Hut, keinen Schlapphut, sondern einen strahlend hellen Stetson mit hellgrauem Band. Er wirkt noch größer, aber auch sehr viel schmaler als früher. Als er näher kommt, sehe ich, dass der Effekt nicht auf seine Kleidung zurückzuführen ist. Pepe ist tatsächlich noch dünner geworden. Die Haut um seine Augen herum ist gerötet, seine Lippen sind ausgetrocknet und aufgeplatzt, seine Ohrläppchen sehen aus, als hätte man sie mit einem Reibeisen bearbeitet. Er lächelt auf eine Art, wie Leute lächeln, die sich von ihren Angehörigen verabschieden – auf dem Sterbebett. Von seiner rechten Hand, die Gevatter Tod zur Ehre gereichen würde, steigt eine Rauchfahne auf.
»Tim, es ist mir eine Freude«, sagt er förmlich und nimmt den Hut ab. Er hat keine Haare mehr. Hinter ihm sagt jemand »Achtung!«, weil ein Zigarillo auf ihn zugeflogen ist.
»Pepe.« Mehr kann ich nicht sagen. Wir stehen voreinander, er mustert mich mit diesem Lächeln, und ich habe einen Kloß im Hals. Die Floskel »Wie geht es dir?« bringe ich nicht über die Lippen. Die Antwort steht vor mir.
Er legt mir die rechte Knochenhand auf die Schulter.
»Schön, dass ich dich doch noch mal zu sehen bekomme«, sagt er. »Scheiße, das freut mich«, ergänzt er.
»Wow«, sage ich.
»Hepatitis C, Sjörgren-Syndrom und noch ein paar andere Sachen«, erklärt Pepe, ohne dass ich gefragt hätte. »Das Ergebnis einer kurzen, aber nachhaltigen Fixer-Phase. Scheiße. Du hast Glück, sozusagen. Ich habe nur noch ein paar Wochen. Ich bin austherapiert, wie man so schön sagt. Ende der Fahnenstange.«
Er zündet sich ein neues Zigarillo an.
Weil mir nichts Besseres einfällt, sage ich das Offensichtliche: »Du solltest nicht rauchen.«
»Scheiße, ich sollte nicht sterben «, antwortet er

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