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Geisterfahrer

Geisterfahrer

Titel: Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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wenn es ihr Mühe macht, so über ihn zu reden, ist es ihr nicht anzumerken, nur das Strahlen ihrer endlos blauen Augen scheint sich ein wenig zu verändern. »Ich würde nicht so weit gehen, ihm eine psychische Störung zu attestieren. Er hatte es nicht leicht. Seine Gefühlswelt ist von jeher negativ geprägt. Man könnte ihm wahrscheinlich helfen.«
»Verstehe«, murmle ich. Er pflegt die Eltern. Vermutlich weiß sie nicht, wie sich das darstellt.
»Du hast keinen Kontakt mehr«, mutmaße ich.
»Es ist besser für alle«, erklärt sie. »Das emotionale Gleichgewicht ist fragil.«
Was?
»Fickscheiße«, sagt Lukas vernehmlich, als in seiner Spielecke irgendwas hölzern klappernd zusammenbricht. Kuhle und Sabrina sehen sich betroffen an. Kuhle zuckt etwas hilflos die mächtigen Schultern und flüstert: »Wir diskutieren das morgen mit ihm, nach dem Kurs.«
Ich unterdrücke einen lauten Lacher, mir läuft deswegen ein bisschen Bier aus der Nase. Anschließend schweigen wir für ein paar Sekunden. Ich stelle mir vor, was die beiden wahrscheinlich denken, und muss grinsen, bis mir die Frage einfällt, die ich mir seit dem Morgen vorgebetet habe.
»Hast du mir eine E-Mail geschrieben? Sonntag vor einer Woche?«
Kuhle sieht fragend zu Sabrina, die einen Ich-weiß-davonnichts-Gesichtsausdruck andeutet; ich folge einer mimischen Konversation, wie sie vermutlich oft stattfindet, wenn die beiden in Lukas’ Gegenwart eine ihn betreffende Entscheidung fällen müssen.
»Was für eine Mail?«, fragt er. Dabei sieht er mich an wie ein Arzt, der eine Anamnese erstellt.
»Wie – was für eine? Willst du damit sagen, du hast mir nicht geschrieben?« Kann doch nicht sein!
Er schüttelt den Kopf, Sabrina tut es ihm gleich, fast synchron. Ich bin erst verblüfft und bestürzt, und dann erzähle ich den beiden, worum es in dieser Nachricht ging. Das fällt mir nicht gerade leicht, vorsichtig ausgedrückt, aber sie nicken verstehend, bevor ich in Details gehen muss.
»Wir wissen davon«, unterbricht mich Kuhle. Er pausiert kurz. »Melanie geht es nicht sehr gut. Sie ist Patientin bei uns.«
»Sie ist was ?« Ich lasse mich gegen die Rückenlehne des Rattansofas fallen.
»In Behandlung. Mehr kann ich dir nicht sagen. Ich habe bereits mit dieser Nachricht meine Verschwiegenheitspflicht verletzt. Ich hoffe, du weißt das zu würdigen.«
»Sie ist bei euch in Behandlung? Mit irgendeinem Psychoknacks?«
»Mit einer Störung«, korrigiert Sabrina. »Sie hat viel Schlimmes erlebt.«
»Ach so.« Mehr fällt mir nicht ein. Ich kann mir das nicht vorstellen. Mel hat eine Störung ? Wie stellt sich das dar? Hat sie Aussetzer? Sabbert sie beim Sprechen? Leidet sie unter Waschzwang? Stopft sie ihre Wohnung mit alten Zeitungen voll? Auf den Bildern wirkte sie abwesend, aber weitgehend normal, wenn man die Umstände berücksichtigt. Aber was weiß ich schon.
Ich weiß nicht einmal, wer diese verdammte Nachricht verfasst hat.
»Außer dir wusste niemand davon, dass Mel vor der Kamera stehen wollte«, sage ich zu Kuhle.
»Ich habe mit Sabrina darüber gesprochen.«
Sabrina schaut zu Lukas in die Ecke und dann zu mir. Ihr Blick hat etwas Scheues in diesem Moment und den Ausdruck eines Schuldgefühls.
»Christian weiß es«, sagt sie, mit deutlicher Zurückhaltung in der Stimme. »Es war bei einem Telefonat, vor längerer Zeit. Wir sprachen über unsere Eltern und den Aufwand für die Pflege. Plötzlich hat er mich gefragt, ob ich mich an Melanie erinnern könnte, deine damalige Freundin. Das war in einer Zeit, in der wir wenig miteinander gesprochen haben, wegen … wegen dieser Angelegenheit. Dann sagt er etwas von Fotos. Damals wusste ich noch nicht, um welche Art von Fotos es ging. Ich habe mir nichts dabei gedacht und ihm gesagt, dass sie das schon immer wollte und deshalb Fotografin wurde. Er hat gekichert. Heute weiß ich natürlich, warum.«
Der Egel. Deshalb war er nicht so richtig überrascht, mich zu sehen. Diese Sau. Ich hätte seinen Computer eintreten, ihm die Fresse polieren sollen. Das beißende Gefühl, das seine Mitteilung »Ich weiß, was sie macht« bei mir ausgelöst hat, stellt sich wieder ein. Ich sehe ihn vor mir, in seinem Ikea-Zimmer, wie er ihre Bilder anschaut und an seiner Jogginghose herumreibt, und ich schüttle den Kopf, um die widerwärtige Phantasie wegzudrängen.
Kuhle legt mir eine Hand auf die Schulter. »Ich darf dir ihre Daten nicht geben, aber ich kann dir sagen, wie sie jetzt heißt. Das darf ich, als

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