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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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lächelte Dagný an und sagte: »Das kann ich von mir nicht gerade sagen. Ich kapiere überhaupt nicht, worauf du hinauswillst.«
    »Mach die Kiste auf und schau dir die Sachen an. Wie gesagt, wenn mich nicht alles täuscht, gibt es eine Verbindung zwischen dem alten und dem neuen Einbruch – und zu Hallas Selbstmord.« Sie zögerte, sprach dann aber fast flüsternd weiter und schaute ihm dabei direkt in die Augen. »Und zu dem Verschwinden deines Sohnes.«
    Freyr wollte etwas fragen, aber aus seiner Kehle drang kein Laut. Sein Atem stockte kurz, dann fasste er sich wieder. »Das kann nicht sein«, sagte er bestimmt. Die Freundlichkeit, die er sich in seinem Job angewöhnt hatte, war aus seiner Stimme verschwunden. »Wie hast du das rausgekriegt?«
    »Wie gesagt, am besten schaust du es dir selbst an.« Dagný stand auf und nahm ihre Jacke von der Stuhllehne. »Vielleicht meldest du dich bei mir, wenn du dir eine Meinung gebildet hast. Entschuldige bitte diesen merkwürdigen Überfall, aber ich kann es nicht ändern.« Sie ging zur Tür, und er verfolgte jede ihrer Bewegungen mit den Augen. Als sie die Tür zum Flur aufgemacht hatte, drehte sie sich noch einmal um. »Ich wusste wirklich nicht, dass das dein Sohn auf dem Foto ist. Bitte glaub nicht, dass ich versuche, dir irgendwelche Informationen zu entlocken. Das ist nicht der Fall.« Sie zog die Tür hinter sich zu, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, etwas zu entgegnen oder sich zu verabschieden. Die Temperatur im Raum schien immer weiter anzusteigen, und Freyr zog seine Krawatte aus. Er warf sie über den Schreibtisch auf den Stuhl, auf dem Dagný gesessen hatte. Dann entledigte er sich seines Arztkittels und warf ihn hinterher. Der weiße Kittel landete an der richtigen Stelle, rutschte dann aber am Stuhlrücken nach unten und glitt auf den Fußboden.
     
    Eine halbe Stunde später hatte Freyr den Inhalt der Kiste durchgeblättert. Schon beim Überfliegen der Unterlagen verstand er, warum Dagný meinte, eine Verbindung zwischen den beiden Einbrüchen und Halla entdeckt zu haben. Die Kopien der Schwarzweißfotos von dem damaligen Einbruch ähnelten denen vom Kindergarten auf unheimliche Weise. Die Bilder waren ziemlich unscharf, aber man konnte das meiste erkennen. Im Vergleich zu der Unmenge von Fotos, die Dagný von den Schäden gemacht hatte, gab es nur sehr wenige alte Bilder. Das musste daran liegen, dass die Entwicklung von Filmen damals viel teurer gewesen war. Das auffälligste Bild zeigte die Schmierereien an der Wand in der Schulaula. Dagný hatte ein Foto aus dem Kindergarten beigelegt, auf dem genau dieselbe Schmiererei zu sehen war. Freyr wusste zwar, dass an beiden Wänden dasselbe Wort gestanden hatte, war aber völlig verblüfft, wie ähnlich sich die Buchstaben sahen. Wenn man die unterschiedlichen Hintergründe wegließ, hätte man meinen können, es handele sich um dieselbe Aufschrift. Freyr hätte die Fotos gerne vergrößert und sich die Schrift in höherer Auflösung angeschaut; vielleicht konnte Dagný das später veranlassen.
    Es gab noch eine weitere Gemeinsamkeit: In beiden Fällen hatte man nicht herausgefunden, wie der Einbrecher ins Haus gelangt war. Alle Fenster waren von innen verschlossen, die Scheiben unbeschädigt und die Türen nicht aufgebrochen. Damals hatte die Polizei überprüft, wer alles einen Schlüssel zur Schule hatte, und von diesen Personen konnte niemand etwas mit dem Einbruch zu tun haben. Keine Schlüssel waren verlorengegangen oder verliehen worden. Der Polizeibericht über den Einbruch in dem Kindergarten klang ganz ähnlich, man hielt es für so gut wie ausgeschlossen, dass der Einbrecher mit einem Schlüssel ins Haus gelangt war.
    Eine weitere interessante Sache war ein altes Klassenfoto, das dem Bericht nach möglicherweise Licht auf den Täter werfen konnte. Der Grund lag auf der Hand: Die Gesichter mehrerer Kinder waren zerstochen und unkenntlich gemacht worden. Der Täter hatte das Glas des Rahmens zerbrochen und das Foto dann wieder an seinen Platz im Klassenzimmer gehängt. Die anderen Klassenfotos hatte er alle nur in eine Ecke gepfeffert. Man nahm an, dass der Täter sich an den Kindern auf dem Foto rächen wollte. Freyr konnte aus den Unterlagen nicht ersehen, ob sich dieser Verdacht erhärtet hatte – was nicht weiter überraschend war angesichts des Alters der Kinder. Sie waren zwischen elf und zwölf. Es war wirklich schwer vorstellbar, dass so kleine Kinder etwas angestellt hatten, das den

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