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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Nachttisch, auf dem Beistelltisch neben dem Fernsehsessel. Es gab noch mehr davon, er hatte die Fotos nicht gezählt und wollte auch nicht wissen, wie viele es waren. Die Rahmen waren fast alle gleich, billig und nicht sehr stabil. Ein paar waren schon auseinandergefallen und gegen stabilere ausgetauscht worden. Ursprünglich hatte Freyr alle Rahmen im selben Geschäft gekauft, nachdem er die vergrößerten Fotos von seinem Sohn abgeholt hatte. Die Fotos hatte er genauso zufällig ausgewählt wie die Rahmen, da er in Eile gewesen war. Er konnte sich noch genau an den Tag erinnern. Beim Aufwachen hatte er sich nicht mehr an das Gesicht seines Sohnes erinnern können; es war zwar in greifbarer Nähe gewesen, aber immer fehlte ein winziges Stück. Die gerahmten Bilder waren für solche Momente gedacht, wobei Freyr sofort klar gewesen war, dass es immer mehr werden würden.
    »Wer ist das auf dem Foto?« Dagný zeigte mit dem Kinn auf den Bilderrahmen. Sie hatte gemerkt, dass er es anstarrte. Dagný sah müde aus, was sie jedoch nicht weniger attraktiv, sondern nur menschlicher machte. Ihr kurzes Haar war nicht so lebendig wie sonst und am Ende des langen Arbeitstags leicht fettig. Zweifellos lockte sie ihr Sofa zu Hause mehr als Freyrs Büro, aber das war nicht seine Schuld – sie hatte ihn sehen wollen. »Jemand, den ich kenne?«
    »Das ist mein Sohn Benni.« Freyr wollte das Foto instinktiv umdrehen, damit sie es sehen konnte, ließ es aber bleiben.
    »Er wurde nie gefunden, oder?«, fragte Dagný und errötete. »Ich hab die Geschichte gehört, als du hergezogen bist. Ich kannte sie schon von den Meldungen damals, die vergisst man nicht so schnell. In Island verschwinden so selten Kinder.«
    »Ja, zum Glück, aber das ist nicht der einzige Fall. In Keflavík sind vor fünfzehn Jahren zwei Jugendliche verschwunden. Die wurden auch nie gefunden«, antwortete Freyr. Dagný rutschte bei dem Thema nervös auf ihrem Stuhl herum, aber ihre Neugier, mehr über die Sache zu erfahren, war stärker als ihre Höflichkeit. Freyr störte das nicht – besser, die Leute fragten ihn geradeheraus, als wie die Katze um den heißen Brei herumzuschleichen. Schlimmstenfalls wurden sie feuerrot, wenn in seiner Anwesenheit von Kindern gesprochen wurde, und versuchten krampfhaft, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken. Nein, in solchen Fällen war es am besten, die Sache direkt anzusprechen und den Leuten klarzumachen, dass er nicht gleich zusammenklappte, wenn er an den schmerzhaften Verlust erinnert wurde. »Ich habe keine Hoffnung mehr, dass er noch gefunden wird, es ist jetzt drei Jahre her, und man hat damals jeden Winkel durchkämmt, wo er hätte sein können.«
    Dagný wirkte erleichtert, dass es ihm so leichtfiel, über das Thema zu reden. Sie wandte ihren Blick von der Bürowand ab, schaute ihm in die Augen und stellte ihre nächste Frage etwas beherzter. »Was glaubst du, was passiert ist? Erstaunlich, dass nie was ans Licht gekommen ist.«
    Freyr nickte; neben seiner Exfrau hatte sich keiner mehr den Kopf darüber zerbrochen als er. Ohne zu einem Ergebnis zu kommen. »Ich weiß es einfach nicht. Er ist beim Verstecken spielen mit seinen Freunden verschwunden. Vielleicht ist er in einen Brunnen oder in ein Loch gekrochen, das sich irgendwie geschlossen hat, aber das wurde selbstverständlich alles überprüft. Sämtliche Garagen, Häuser, Autos, Wohnwagen und alles, wo ein Kind reinpassen könnte, wurden abgesucht. Die Polizei glaubt, dass er im Meer ertrunken ist, aber von Ártúnsholt, wo wir gewohnt haben, ist es ziemlich weit bis zum Strand, daher hat mich diese Erklärung nie überzeugt. Natürlich könnte er den ganzen Weg zum Meer gelaufen sein, aber das passt überhaupt nicht zu dem Versteckspiel, die Kinder haben gesagt, sie hätten sich nie so weit weg versteckt, das Ziel war ja schließlich, am Ende gefunden zu werden. Man kennt das ja aus der eigenen Kindheit, man ist nicht in andere Viertel gegangen, um ein gutes Versteck zu finden. Außerdem durften sie wegen des Verkehrs nicht in die Nähe der Ártúnsbrekka, und das haben sie auch respektiert. Ich glaube, Benni hätte dieses Verbot nie missachtet.« Freyr verschränkte die Arme vor der Brust. »Wobei ich das natürlich nicht mit Gewissheit sagen kann.«
    »Und die Hunde? Sie müssen doch Suchhunde eingesetzt haben. Haben die keine Spur gefunden?«
    »Doch, aber das hat nichts gebracht. Die Spur endete im Norden des Viertels an der Ártúnsbrekka. In der

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