Geisterfjord. Island-Thriller
dass Katrín ihm gerade noch ausweichen konnte. »Um Gottes willen.« Seine Stimme war nur noch ein Flüstern, und Katríns Herz schlug wie wild. Putti spürte, dass etwas in der Luft lag, und winselte.
»Was ist das?«, flüsterte Katrín. Am liebsten hätte sie die Augen zugemacht, sich an Garðar gehängt und sich von ihm weiterführen lassen, am besten direkt nach oben zu ihrem Schlafsack. Von Líf war kein Mucks zu hören, und Katrín beneidete sie zutiefst, nicht mit runtergekommen zu sein.
»Das sind Fußspuren. Jemand ist reingekommen«, sagte Garðar und stellte das Licht der Taschenlampe etwas schwächer. »Sie führen in die Küche.« Den letzten Satz sprach er so leise, dass Katrín ihn gerade noch verstehen konnte.
»Lass uns raufgehen.« Sie zog an Garðars Ärmel, obwohl sie genau wusste, dass er nie auf sie hören würde, zumal es Unsinn war raufzugehen, wenn sich ein Fremder im Erdgeschoss aufhielt. Damit würden sie nicht verhindern, dass er raufkommen würde, wenn er wollte. »Was sollen wir machen, wenn jemand in der Küche ist?«
Garðar hätte bestimmt geantwortet, wenn die Küchendiele nicht erneut geknarrt hätte. Katrín erschrak so sehr, dass die Luft aus ihren Lungen entwich und sie ihr Gesicht in Garðars Fleecepulli verbarg. Sie spürte, dass jeder Muskel seines Rückens angespannt war und sein Herz genauso schnell schlug wie ihres.
»Wer ist da?« Garðars tiefe Stimme klang trotz allem bestimmt und furchtlos. »Bitte zeig dich, du kannst hier unterschlüpfen, aber wir wollen nicht, dass du heimlich im Haus bist.«
Keine Antwort. Die Stille im Flur war schwer und erdrückend, wie in einem tiefen Loch. Trotzdem hätte sich Katrín gerne die Ohren zugehalten – wenn es noch einmal knarrte, würde sie sich die Seele aus dem Leib brüllen. Plötzlich wurde die Stille durchbrochen, aber aus einer ganz anderen Richtung. Líf hatte Garðar gehört und rief etwas Unverständliches. Das riss sie aus ihrem Bann, und Garðar ging zielstrebig durch den Flur. »Bitte zeig dich!«, rief er. Wieder keine Antwort.
»Was, wenn er ein Messer dabeihat?«, wisperte Katrín Garðar ins Ohr. Sie stand dicht hinter ihm und krallte sich an ihm fest. Entweder musste sie ihm folgen oder zurückbleiben, aber sie wollte unter keinen Umständen alleine in der Dunkelheit stehen. »Das Brotmesser und das Fleischmesser liegen noch auf dem Tisch.«
Garðar antwortete nicht und ging mit entschlossenen Schritten weiter. Als er plötzlich stehen blieb, merkte Katrín, dass sie schon vor der Küchentür standen. Sollte sie die Augen aufmachen oder weiter geschlossen halten? Ein erneutes Knarren des Fußbodens nahm ihr die Entscheidung ab, und sie kniff die Augen noch fester zu. Das Geräusch kam eindeutig aus der Küche, und das Einzige, was sie davon trennte, war die alte, abgenutzte Türplatte. Vielleicht ging die Person gerade mit erhobenen Messern auf die Tür zu. Katrín musste sich zwingen weiterzuatmen. Putti knurrte leise, aber wütend.
»Nicht aufmachen«, flüsterte Katrín in die leicht geriffelte Rückseite von Garðars Fleecepulli, als sie spürte, wie sich sein rechter Arm auf die Tür zubewegte. Es knarrte wieder, doch bevor das langgezogene, gespenstische Geräusch ganz zu Ende war, brach es mittendrin ab, und die Türangeln quietschten.
Garðar sagte nichts, und Katrín traute sich nicht, ihn zu fragen, was er sehe. Dann machte er zwei Schritte, und sie spürte die Türschwelle unter ihren Füßen. »Was zum Teufel ist hier los?«, tönte Garðar verblüfft und zornig, aber nicht ängstlich.
»Was?«, ächzte Katrín. Sie wollte die Antwort gar nicht hören. Vielleicht hatte der ungebetene Gast sich selbst mit dem Messer verletzt.
»Hier ist niemand.« Garðar trat so schnell in die Küche, dass Katrín von ihm losgerissen wurde und auf der Türschwelle zurückblieb. Sie öffnete die Augen einen Spalt und sah, dass er den einzigen Schrank aufriss, in den ein Mensch passen würde, aber ihm fiel nur ein Besenstiel entgegen. Dann drehte er sich zum Fenster, das geschlossen und von innen verriegelt war. »Was zum Teufel ist hier passiert? Hast du das Knarren gehört, bevor ich die Tür aufgemacht habe? Hier war jemand drin!«
»Ja.« Katrín schlang die Arme um ihren kalten Oberkörper, da sie Garðars Wärme nicht mehr spürte. Verwirrt versuchte sie, die Dinge zu begreifen. Sie betrat die Küche und merkte, dass Putti ihr nicht folgte. Er blieb auf der Türschwelle stehen, winzig und
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