Geisterfjord. Island-Thriller
bemitleidenswert. Er zitterte am ganzen Körper, und sein kurzes, braunes Fell vibrierte. Katrín beugte sich zu ihm hinunter und versuchte, ihn zu sich zu locken, aber der Hund wollte nicht. Sie richtete sich wieder auf und drehte sich zu Garðar. »Kann das eine Ratte gewesen sein?«
»Klang eher wie ein Elefant. Bei einem so kleinen Tier knarren die Dielen nicht so laut. Sogar Putti läuft völlig geräuschlos hier rum. Er ist zwar winzig, aber ich möchte mal eine Ratte sehen, die an ihn heranreicht.« Trotzdem zog Garðar jede einzelne Schublade in der Küche auf und leuchtete hinein. »Ich weiß nicht, wo hier eine Ratte sein sollte.« Er kniete sich mit einem Bein hin und leuchtete unter den Schrank, in den Kaminofen und durch die gesamte Küche. Auf dem Boden glitzerte wieder eine ebensolche Pfütze wie im Flur auf. »Das gibt’s doch nicht!« Garðar stand auf und ging zu der Stelle. »Das war doch vorher nicht so, oder?«
Katrín trat zu ihm und starrte auf den schwarzen Fleck, der sich stark vergrößert hatte. »Sind das Feuchtigkeitsschäden? Das ist vielleicht die Erklärung für die Pfützen. Ist vielleicht nur Zufall, dass sie aussehen wie Fußspuren.«
Garðar kniete sich wieder hin und beleuchtete die Ränder des Flecks. »Sieht aus wie Schimmel.« Er stand auf. »Der Fleck ist eher grün als schwarz, aber ich bin kein Experte für Feuchtigkeitsschäden.« Er schnupperte. »Es riecht aber nicht nach Schimmel, eher nach Meer.«
Nun bückte sich Katrín und inspizierte die nassen Fußspuren auf dem Boden. Sie atmete konzentriert durch die Nase ein und roch etwas, das an Strand erinnerte. »Die Pfützen riechen nach Meer, Garðar. Das ist bestimmt Meerwasser, das dringt nicht von außen ins Haus.«
Garðar ging zu ihr, roch ebenfalls an der Pfütze, steckte auch noch einen Finger hinein und leckte ihn ab, bevor Katrín ihn davon abhalten konnte. Dann spuckte er auf den Boden und stieß Putti weg, der gerade das Wasser auflecken wollte.
»Es ist Meerwasser.« Das Licht der Taschenlampe flackerte, als Garðar wieder aufstand. »Das kapiere ich nicht, jemand muss hier reingekommen sein. Aber wie?«
Katrín wollte die nassen Fußspuren nicht länger anschauen und ließ ihren Blick zum Küchentisch schweifen, an dem sie vorm Schlafengehen heißen Kakao getrunken hatten. Der braune Kreis von Lífs Tasse, aus der Kakao geschwappt war, befand sich noch an derselben Stelle. Aber auf dem Tisch war noch etwas anderes. Eine Tageszeitung, die bei näherem Hinsehen etwas überdeckte.
»Garðar.« Katrín blieb wie angewurzelt stehen und wunderte sich, dass sie überhaupt etwas herausbrachte. »Garðar«, wiederholte sie. »Warum sind die Kreuze wieder hier?«
Bevor er antworten konnte, brach ein Holzscheit im Kaminofen knackend entzwei, und sie zuckten zusammen. Garðar richtete die Taschenlampe mit zitternder Hand auf den Ofen, und der zuckende Lichtschein umspielte den schwarzen Stahl.
»Mein Gott, hab ich mich erschrocken«, seufzte Katrín und rang nach Atem, als ein kleiner, zerbissener Ball, den Líf für Putti mitgenommen hatte, unter dem Kaminofen hervorrollte. Sie stürzte wieder zu Garðar. Durch seinen Pullover spürte sie sein Herz genauso schnell hämmern wie ihres. »Was ist da drunter?« Putti war in eine Ecke zurückgewichen, starrte das Spielzeug an und knurrte leise. Normalerweise freute er sich über den Ball.
»Der Boden hat sich nur bewegt, als das Holzscheit im Kamin zusammengefallen ist«, sagte Garðar. Er hatte selten so wenig überzeugend geklungen. »Lass mich los, damit ich unter den Ofen schauen kann. Nur zur Sicherheit. Da kann nichts Lebendiges drunter sein, das ist viel zu heiß.« Katrín gehorchte, obwohl sie sich überwinden musste, ihre verkrampften Finger zu lösen. Garðar legte den Kopf fast auf den Fußboden, um unter den Kaminofen schauen zu können. »Da ist nichts, aber komisch, dass der Boden nach hinten abfällt und nicht nach vorne.« Er stand wieder auf und wischte sich die Hände an den Hosenbeinen ab.
»Ich muss rauf«, sagte Katrín mit zitternder Stimme. »Ich kann nicht mehr.« Sie rief zaghaft nach Putti, der zögerlich zu ihnen kam. »Bitte, komm!« Garðar machte den Mund auf, sagte dann aber doch nichts. Anscheinend wollte er genauso wenig unten bleiben wie sie. Von oben hörten sie Líf rufen, was los sei.
»Wir kommen!« Katríns Stimme war viel zu brüchig, um weit zu tragen, aber da Líf nichts entgegnete, musste sie sie gehört
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