Geisterfjord. Island-Thriller
konnten, Kerzen mitzunehmen«, murmelte Garðar immer wieder in regelmäßigen Abständen vor sich hin. »Ich könnte schwören, dass ich beim Einkaufen noch nicht mal an die Existenz von Kerzen gedacht habe.«
»Bitte, kommt doch mit! Ich will nicht alleine gehen«, sagte Líf und zog ihre Hand zurück, da sie ihren Finger versehentlich zu langsam durch die Flamme geführt hatte. Sie schüttelte ihn hektisch und steckte ihn dann in den Mund. »Draußen ist es bestimmt wärmer als hier.«
Im Haus war es eiskalt. Nachdem Garðar überprüft hatte, dass sich niemand hinterm Haus versteckte, waren sie alle so versessen darauf gewesen, reinzukommen und die Tür hinter sich abzuschließen, dass sein Vorschlag, noch mal gemeinsam zurückzugehen, um Brennholz zu holen, nicht auf Zustimmung gestoßen war. Und jetzt, bei dem Schneegestöber, stand das sowieso nicht mehr zur Debatte. Sie hatten alle keine gute Orientierung, hätten sich verlaufen und draußen erfrieren können. Nun saßen sie in Jacken und Pullis mit ihren Schlafsäcken über den Schultern da und klopften sich warm. Katrín fiel sogar das schwer, denn ihr Körper tat so weh, dass er keine Berührung duldete.
»Ich will nicht, dass du diese Zigaretten nimmst. Wie fändest du es denn, wenn jemand bei dir einbrechen und deine Kippen rauchen würde?«, entgegnete sie.
»Wenn ich so lange weg wäre wie diese Leute, wäre mir das scheißegal. Zigaretten verderben, wenn die Packung zu lange geöffnet rumliegt. Man kann sie ja jetzt schon kaum mehr rauchen, geschweige denn im Frühjahr. Eigentlich tue ich den Leuten nur einen Gefallen.« Líf reckte sich nach der Packung, die zwischen ihnen auf dem Tisch lag, nahm eine Zigarette heraus und steckte sie sich in den Mund, ohne sie anzuzünden. »Wenn noch mehr Zigaretten in der Packung wären, würde ich euch zum Mitrauchen anstiften.«
Katrín hatte keine Lust, darauf einzugehen, und Garðar war in ein paar Bücher vertieft, die er in einem Fach in der hübschen Anrichte gefunden hatte. Es waren Beschreibungen der Gegend und Informationen über die Westfjorde. Garðar hatte laut darüber nachgedacht, ob er eine ähnliche Sammlung für seine zukünftigen Gäste anlegen sollte. Katrín hatte nur die Lippen zusammengekniffen, obwohl sie ihn am liebsten angeschrien hätte, dass daraus nichts würde, dass sie nie wiederkommen würden, um die Renovierung abzuschließen – falls sie überhaupt jemals wegkämen. Jetzt studierte er die kleine Schrift und bemühte sich, dabei keinen Schatten auf die Seiten zu werfen. Er blätterte um.
»Steht da was Brauchbares drin?«, fragte Katrín.
Garðar schaute von dem Buch auf. »Na ja, ich hatte gehofft, was über die Häuser zu finden, am besten über unser Schlösschen, aber Fehlanzeige. Es geht hauptsächlich um Wanderwege und so.«
»Steht da was über einen Wanderweg, der in besiedelte Gegenden führt?« Líf spielte schon wieder mit der Kerze, diesmal mit schnelleren Bewegungen. »Vielleicht können wir von hier aus laufen.«
»Spinnst du?« Katrín musste gar nicht erst aus dem Fenster schauen, um die wirbelnden Schneeflocken vor sich zu sehen, die ihnen entgegengeschlagen waren, als Líf sie überredet hatte, zum Rauchen mit nach draußen zu kommen. »Da geht man bestimmt mehrere Tage. Es ist viel sinnvoller, wenn wir hier auf das Boot warten. Morgen sind es nur noch zwei Nächte, dann kommt der Kapitän und holt uns ab.« Sie erwähnte nicht, dass das davon abhing, ob der Schneefall nachließ.
Líf zuckte die Achseln. »Ich meine ja nicht, dass wir einfach loslaufen, bis wir nach Ísafjörður kommen. Wenn wir eine Karte hätten und wüssten, ob auf dem Weg Häuser stehen, könnten wir da übernachten. Von Hütte zu Hütte wandern oder so. Hier in Hornstrandir stehen doch jede Menge verlassene Häuser. Wir müssen nur wissen, wo.« Sie hob Puttis Ball vom Boden auf und warf ihn dem Hund zu. Der fixierte den Ball, wich ihm dann aus und machte einen großen Bogen, um ihm nicht zu nahe zu kommen. An den ersten Tagen hatte er noch damit gespielt, aber jetzt mied er ihn wie Feuer. Katrín und Garðar hatten Líf nicht erzählt, dass der Ball gestern Abend von selbst unter dem Kamin hervorgerollt war. Peinlich berührt beobachteten sie Lífs Versuche, das Tier zu animieren, ihn zu fangen.
»Ich verstehe einfach nicht, warum er nicht mehr mit dem Ball spielen will. Er wollte ihn doch sonst gar nicht mehr loslassen.« Líf sah irritiert und verletzt aus. Wahrscheinlich
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