Geisterhafte Visionen
»Wer in drei Minuten nicht zurück ist, muß hier…
warten. Wir können einfach nicht mehr Zeit erübrigen. Die Flotte erreicht das Drenar-System in einer knappen halben Stunde, und dann müssen wir zugegen sein, um Shaale zu begrüßen.«
Mit etwas Glück – daran schien es heute zu mangeln – fand Daket heraus, was mit Gantels Schiff geschehen war. Was ihn vielleicht in die Lage versetzte, einem ähnlichen Schicksal zu entgehen. Oder er hielt sich von dem Föderationsschiff fern, bis die Flotte eintraf. Diese Taktik erschien Daket besonders attraktiv.
Wie dem auch sei: Auf der Oberfläche des Planeten konnte er nicht länger bleiben. Früher oder später mußte das Schiff den Erdbeben zum Opfer fallen. Und wenn es das seismische Chaos doch irgendwie überstand… Shaale würde bestimmt nicht zögern, Dakets Karriere zu ruinieren. Für Untätigkeit gab es keine Rechtfertigung. Er hatte bei seiner Mission nicht den geringsten Erfolg erzielt, und deshalb gab es keinen Grund für ihn, noch länger auf dem Planeten zu bleiben. Gantels Ende bedeutete, daß ihm niemand helfen konnte. Außerdem verlor er dadurch die Möglichkeit, die Schuld jemand anders zu geben.
Andererseits… Wenn diese Sache doch noch zu etwas
Positivem führte, so war er jetzt genau in der richtigen Position, um davon zu profitieren. O ja, es mochte eine sehr heikle und riskante Position sein, was auch die pochenden Kopfschmerzen und das flaue Gefühl im Magen erklärte, aber am Horizont der Gefahr zeichnete sich auch eine große Chance ab.
»Noch zwei Minuten«, meldete Tatel.
Tief in Dakets Innern verkrampfte sich etwas. »Ich weiß«, sagte er leise. »Ich weiß.«
Die große unterirdische Höhle sah so aus wie in ihrem Traum
– und doch fielen sofort Unterschiede auf. Überall bemerkte Janeway Anzeichen von Verfall. Zusammen mit Chakotay stand sie an jener Stelle, an der sich zuvor ihr visionäres Selbst befunden hatte. Als sie einatmete, erinnerte sie sich an die alles andere als angenehme Realität dieses Ortes. Es stank nach Rauch und Schwefel, wodurch jeder einzelne Atemzug
schwerfiel. Aber seltsamerweise war es nicht ganz so schlimm wie während des Traums.
Die Maschine entsprach den Erinnerungsbildern, war
tatsächlich gewaltig. Aber sie wies auch Schäden auf.
Herabfallende Felsen hatten Dutzende von Rohren zerfetzt.
Überall lag Schutt auf dem Plateau, stellte Janeway fest, als sie den mitgebrachten Behälter Chakotays Obhut überließ und sich langsam im Kreis drehte. An mehreren Stellen waren Teile der Wände eingestürzt; große Geröllhaufen hatten sich gebildet.
Manche davon reichten bis zu dem riesigen Apparat, trübten dort das Licht der ansonsten hell glühenden Rohrbündel.
Risse reichten von der Decke bis zum Boden des Plateaus, wuchsen teilweise sogar noch weiter, hinein in die Schlucht.
Einige von ihnen schienen Dutzende von Metern tief zu sein.
Janeway merkte, daß Chakotay ihrem Blick folgte – er sah dies alles jetzt zum erstenmal. Erstaunlicherweise konnten sie die Umgebung gut erkennen, denn nicht nur von der Maschine ging Licht aus, auch von einigen lampenartigen Vorrichtungen, die den Apparat umgaben und eine Art subplanetarer Sonne formten. Doch jenseits des Plateaus genügte ihr Glanz nicht mehr, um die Dunkelheit zu verdrängen. Dort verdichtete sich die Finsternis und verbarg den Rest der Höhle vor Janeways Blicken.
»Eine natürliche Kaverne«, sagte Chakotay leise. »Das denke ich auch«, pflichtete ihm Janeway bei. »Die Natur kann eine enorme schöpferische Kraft entfalten.«
In der Stille, die diesen Worten folgte, hörten sie ein dumpfes Grollen, das seinen Ursprung tief unter ihren Füßen hatte und in der Schlucht widerhallte.
»Sie kann auch zerstören, was sie geschaffen hat«, sagte Janeway. Ein Nachbeben sorgte für mehrere leichte
Erschütterungen, die irgendwo in der Dunkelheit Felsen von der Decke herabstürzen ließen.
Janeway wandte sich der Wand hinter ihnen zu. »Dort«, sagte sie. »Darum ging es den Televek.«
»So etwas habe ich nie zuvor gesehen«, erwiderte Chakotay.
»In gewisser Weise wirkt die Maschine eher schlicht und einfach.« Er betrachtete sie eine Zeitlang. »Hat Ihnen die Vision den Apparat in einem solchen Zustand gezeigt?«
»Nein. Er wurde beschädigt, aber das ist noch längst nicht alles. Die stetige Verringerung des energetischen Potentials hat einen anderen Grund. Glaube ich wenigstens. Hier entlang«, sagte sie und deutete in eine bestimmte
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