Geisterhafte Visionen
inneren Auge: Allein umkreiste sie Drenar Vier. Diese Szene blieb zunächst unverändert – bis Janeway Gelegenheit bekam, einmal mehr den Kreuzer zu sehen. Auf der anderen Seite des Planeten steuerte er in eine höhere Umlaufbahn, um sich der Voyager zu nähern.
Erneut drängten sich die Geister Janeway entgegen, ballten sich in ihrem Bewußtsein regelrecht zusammen. Kummer, dachte sie. Nur mit diesem Wort ließen sich die Empfindungen beschreiben, die ihr nun entgegenfluteten. Die Geister…
trauerten.
Es tat ihnen sehr leid, daß sie so schwach waren, den Drenarianern ebensowenig helfen konnten wie der Voyager. Mit dem letzten Punkt verbanden sich einige weitere Mitteilungen, die jedoch unklar blieben.
»Deshalb bin ich hier«, sagte sie und wußte nicht genau, ob sie wirklich laut sprach. Sie glaubte jedoch, das Echo des letzten Wortes zu hören, nicht nur in Gedanken, sondern mit den Ohren.
Die mentalen Bilder verblaßten, und erneut stand sie in der gewaltigen Höhle. Sie sah Chakotay an und bemerkte einen Schatten von Sorge auf seinen Zügen. Er schwankte kurz, straffte dann die Schultern und schien Benommenheit
abzustreifen. »Haben Sie es ebenfalls gesehen?« fragte Janeway. »Ja. Wir dürfen keine Zeit vergeuden.« Die
Kommandantin nickte. Zusammen mit dem Ersten Offizier trat sie an den Rand des Plateaus heran.
»Es wäre sehr bedauerlich, wenn es ausgerechnet jetzt zu einem Beben käme«, meinte Chakotay, als sie nur noch wenige Zentimeter vom Abgrund trennten.
Janeway nickte und dachte dabei an ihren früheren Sturz. Sie beugte sich vor und starrte in die Schlucht hinab, sah dort die erstarrten Magmamassen als dunkles Etwas in der Düsternis.
»Die Explosion sollte dicht über der Oberfläche erfolgen, um eine maximale Wirkung zu erzielen. Das Loch muß möglichst groß sein.«
»Ja.« Chakotay beugte sich ebenfalls vor. »Ich möchte diese Sache nicht wiederholen müssen.«
»Wie groß mag die Entfernung sein?« Der Commander
runzelte die Stirn. »Etwa sechshundert Meter.«
»Das entspricht auch meiner Schätzung.«
»Wir programmieren die Antigraveinheiten auf einen leichten negativen Auftrieb. Die Schwerkraft von Drenar Vier entspricht etwa neunundsiebzig Prozent der Erdnorm. Unter solchen Voraussetzungen fällt der Behälter mit einer Geschwindigkeit von zwei Metern pro Sekunde.«
Janeway rechnete schnell. »Lassen Sie uns den Zünder auf eine Verzögerung von viereinhalb Minuten einstellen. Alles klar?«
Chakotay nickte, und sie machten sich beide an die Arbeit. Als der Erste Offizier die Programmierung der zweiten
Antigraveinheit beendete, aktivierte Janeway den Zünder. Sie richteten sich beide auf, hielten unwillkürlich den Atem an und gaben dem Behälter einen sanften Stoß. Er schwebte über den Rand des Plateaus
hinweg und sank dann dem erstarrten Magma entgegen.
Janeway klopfte auf ihren Insignienkommunikator.
»Transporterraum, hier spricht der Captain. Beamen Sie uns hoch.«
Sie bekam keine Antwort.
Kapitel 15
Daket hatte gewartet, bis das energetische Niveau des Verteidigungssystems wieder sank – eine Entscheidung, die ihn zusätzliche Zeit kostete. Aber er hielt sie für vernünftig, wenn er ihr die Möglichkeit eines Angriffs gegenüberstellte. Die Gnadenlosigkeit, mit der die geheimnisvollen Verteidiger des Planeten zuschlugen, war legendär. Und es widerstrebte Daket wie üblich, unnötige Risiken einzugehen.
Er würde natürlich nie erfahren, ob eine derartige
Vorsichtsmaßnahme wirklich nötig gewesen war. Nichts geschah, als nach dem Start auf dem großen Bildschirm der ganze Planet sichtbar wurde und grafische Darstellungen auf eine Verringerung der Entfernung zum Föderationsraumer hinwiesen. Allein darin sah Daket einen Beweis dafür, daß er die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Start und Orbitalnavigation verliefen völlig ereignislos, ein Umstand, den der Kommandant sehr begrüßte.
Erneut warf er einen Blick auf den Bericht über die
erstaunliche Föderationswaffe, die dafür gesorgt hatte, daß Jonal und die anderen einfach verschwanden. Gantel war zweifellos bestrebt gewesen, die Voyager mehr oder weniger intakt in seine Gewalt zu bringen. Zuerst hatte er versucht, Zeit zu gewinnen, um nach einem günstigen Ansatzpunkt Ausschau zu halten.
Doch dann verlor er die Geduld und den Verstand, griff allein an – mit katastrophalen Folgen für ihn selbst.
Daket erinnerte sich daran, daß Gantel klug genug gewesen war, eine sichere Distanz
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