Geisterhauch (German Edition)
skeptisch gerunzelter Stirn dorthin. »Sieht unheimlich aus«, meinte sie.
»Es ist überhaupt nicht unheimlich«, log ich. Mit Hundeblick. Was könnte unheimlicher sein als ein verlassenes Irrenhaus, in dem Gerüchten zufolge Experimente durchgeführt wurden? »Es gibt dort einen netten Jungen namens Rocket. Er lebt da mit seiner kleinen Schwester. Sie ist jünger als du.«
Ich hatte Rockets Schwester noch nie gesehen, aber er hatte mir unzählige Male erzählt, dass sie bei ihm war. Sie war bei einem Staubsturm erstickt. Aufgrund seiner Bemerkungen schätzte ich sie auf fünf.
»Er heißt Rocket?« Sie kicherte.
»Ja, und übrigens …« Ich bückte mich zu ihr hinunter. »Wenn du schon mal da drinnen bist, kannst du vielleicht herausfinden, wie er wirklich heißt.« Über Rockets Herkunft hatte ich nichts herausbekommen, obwohl ich das Archiv der Anstalt, sofern noch vorhanden, durchkämmt hatte. Offenbar war Rocket Man nicht sein wirklicher Name.
»Okay.«
»Warte!« Ich konnte sie gerade noch aufhalten. »Willst du nicht wissen, warum du da reingehen sollst?«
»Um das kleine Mädchen zu finden.«
»Ja, aber ich muss etwas von ihr erfahren, falls sie es weiß. Nämlich, wo sich Reyes’ Körper befindet. Sein menschlicher Körper. Kannst du dir das merken?«
Sie verschränkte die Arme. »Na logo.« Dann verschwand sie.
Ich biss die Zähne zusammen. Strawberry war bestimmt die Strafe des Himmels, weil ich letzten Donnerstag eine Margarita zu viel gekippt hatte, was mit einem üblen Tanz auf dem Tisch von The Hokey Pokey endete.
Taft stand gespannt da und schaute noch immer besorgt zur Anstalt hinüber. Ich lehnte mich gegen Misery und stellte einen Stiefelabsatz aufs Trittbrett. »Also«, begann ich und lenkte seine Aufmerksamkeit auf mich. »Ihre Schwester sagt, die Tusse, mit der Sie sich treffen, ist eine Nutte.«
Er sah mich entgeistert an. »Ist sie nicht. Also, na ja, okay, sie ist eine, deshalb treffe ich mich ja mit ihr. Aber sie weiß Bescheid?«
Ich zuckte ungläubig die Achseln. »Mann, ich hab keine Ahnung, ob Ihre Freundin weiß, dass sie eine Nutte ist.«
»Nein, ich meine Becky. Sie weiß, dass ich mich mit jemandem treffe?«
Ich warf die Hände hoch. »Könnte sein, wenn ich nur wüsste, wer Becky ist –«
Er starrte mich erschüttert an. »Meine Schwester.«
»Ach ja!«, sagte ich sicherheitshalber. Wer hätte gedacht, dass Dämonenkind einen so normalen Namen hatte? Ich hätte etwas Exotischeres erwartet wie Serena oder Destiny oder Großes Böses Gruselmonster.
Tafts Funkgerät krächzte etwas völlig Zusammenhangloses. Während er zu seinem Wagen ging, um zu antworten, klingelte mein Handy. Es war Cookie. »Charleys Foltersalon«, meldete ich mich.
»Janelle ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
»Oh, Mann, das tut mir leid. Wart ihr eng befreundet?«
Nach einem ärgerlichen Stöhnen sagte sie: »Janelle, Charley. Janelle York. Mimis Freundin aus der Highschool, die kürzlich gestorben ist.«
»Ach ja«, sagte ich sicherheitshalber noch mal. Schien zur Angewohnheit zu werden. »Moment mal, bei einem Autounfall? Mimi hat Warren erzählt, sie sei ermordet worden.«
»Genau. Und nach dem Obduktionsbericht war sie krank. Die Polizei glaubt, dass sie am Steuer ohnmächtig geworden und mit dem Wagen in die Schlucht gestürzt ist, an der Interstate 25. Aber es wurde als Unfall beurteilt.«
»Warum sollte Mimi dann behaupten, dass es Mord war?«
»Sie hatte vor irgendwas Angst«, sagte Cookie.
»Vielleicht gibt es eine Verbindung zu unserem ermordeten Autohändler.«
»Das vermute ich auch. Ich finde, du solltest möglichst schnell mit Warren reden. Frag ihn, warum er ein paar Tage vorher noch mit dem Mann Streit hatte.«
»Zwei Dumme, ein Gedanke. Bin ganz deiner Meinung.«
»Ist das Cookie?« Strawberry war an meiner Seite erschienen.
Ich klappte das Handy zu und sah sie an. »Genau die. Das ging aber schnell. Hast du Rockets Schwester gefunden?«
»Na klar.«
Fantastisch. Ich hatte nie herausgefunden, ob sie wirklich existierte oder nur in Rockets Fantasie. Ich wartete auf weitere Infos. Es kamen keine. »Und?«
»Sie ist blau.«
Blau? Na ja, sie war erstickt. Vielleicht war sie wegen des Sauerstoffmangels blau. »Okay, und was noch?«
Sie verschränkte wieder die Arme. Wenn es nicht so niedlich ausgesehen hätte, wäre es nervtötend gewesen. »Das wird dir nicht gefallen.«
»Weiß sie, wo Reyes’ Körper ist?«
»Nein. Sie hat nachgeschaut. Aber
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