Geisterhauch (German Edition)
schlug die Hände vors Gesicht und redete dahinter weiter. »Sie hat in ihrem ganzen Leben noch niemanden geohrfeigt. Es sah aus wie ein Streit unter Liebenden.«
Schließlich legte ich eine Hand auf seine Schulter, und er blickte auf, mit tränenfeuchten, geröteten Augen.
»Nachdem sie gegangen war, bin ich dem Mann zu seinem Geschäft nachgefahren und habe ihn dort zur Rede gestellt. Er wollte mir nicht sagen, worum es ging, er sagte nur, ich sollte auf sie aufpassen und sie könnte in Gefahr sein.« Die Tränen flossen jetzt. Er rieb sich mit Daumen und Fingerkuppen die Augen. Die andere Hand ballte er zur Faust. »Ich bin dermaßen blöd, Miss Davidson.«
»Sind Sie nicht.«
»Doch«, beharrte er und sah mich dabei so verzweifelt an, dass es mir den Atem verschlug. »Ich dachte, er bedrohte sie. Ehrlich, wie dumm kann ein Mensch sein? Er wollte mich warnen, dass etwas passieren könnte, auf das ich keinen Einfluss habe, aber ich habe ihn angebrüllt. Ich habe ihm alles Mögliche angedroht, vom Gerichtsverfahren bis … zum Mord. Oh, Gott, wie konnte ich nur so dämlich sein?«
Mir wurde in dem Moment klar, dass Warren vor allem zwei Dinge brauchte: einen guten Anwalt und einen guten Therapeuten. Armer Teufel. Die meisten Frauen würden morden, um einen so hingebungsvollen Mann zu finden.
»Was wissen Sie sonst noch über ihn?«, fragte ich. Bestimmt hatte er sich über diesen Zapata ein bisschen schlaugemacht.
»Nichts. Nicht viel jedenfalls.«
»Okay, sagen Sie es mir.«
»Wirklich«, er zuckte hoffnungslos mit einer Schulter, »Mimi verschwand direkt danach. Ich weiß so gut wie nichts.«
»Und Sie dachten, sie wäre mit ihm abgehauen?«
Er ballte die Faust. »Ich sag ja, ich war dämlich.«
Er sagte das mit so viel Selbstverachtung, fast hörte ich ihn mit den Zähnen knirschen. »Haben Sie herausgefunden, woher sie ihn kannte?«
Nach einem langen Seufzer antwortete er: »Ja, sie waren zusammen auf der Highschool.«
Durch meinen Kopf schallte das Gebimmel und Geklimper eines einarmigen Banditen, der einen Haufen Geld ausspuckte. Das musste ja eine tolle Highschool gewesen sein. »Warren«, sagte ich eindringlich, »verstehen Sie denn nicht?«
Er runzelte fragend die Stirn.
»Zwei ehemalige Schulkameraden Ihrer Frau sind seit Kurzem tot, und Ihre Frau wird vermisst.«
Er sah mich groß an, langsam dämmerte es ihm.
»Ist etwas passiert?«, fragte ich. »Hat sie mal von ihrer Schulzeit erzählt?«
»Nein«, verkündete er, als wäre das des Rätsels Lösung.
»Mist.«
»Nein, Sie verstehen nicht. Sie redete nie über ihre Schulzeit in Ruiz, sie weigerte sich. Ich habe sie ein paar Mal danach gefragt, einmal sogar ein bisschen gedrängt, und da wurde sie so böse, dass sie eine Woche lang nicht mit mir gesprochen hat.«
Ich beugte mich mit neuer Hoffnung zu ihm. »Damals muss etwas vorgefallen sein, Warren. Ich verspreche Ihnen, ich finde heraus, was es war.«
Er nahm meine Hand. »Danke.«
»Aber wenn ich dabei draufgehe«, ich zeigte mit dem Finger auf ihn, »verdopple ich mein Honorar.«
Ein winziges Grinsen machte sein Gesicht weicher. »Auf jeden Fall.«
Als wir unser Gespräch beendeten, kam sein Anwalt herein und begann leise mit ihm zu reden. Ich entschuldigte mich und schlenderte grinsend zu dem Beobachtungsspiegel. »Unschuldig. Hab’s dir ja gesagt. Setz du noch mal einen Beschatter auf mich an.« Rache tat gut.
Nachdem ich im Chocolate Coffee Café vergeblich ein Foto von Mimi herumgezeigt hatte – keiner erinnerte sich, sie am vorigen Abend gesehen zu haben –, flirtete ich ein bisschen mit Brad dem Koch und hastete dann zurück ins Büro, aber Cookie hatte früh Feierabend gemacht, um mit Amber, ihrer Tochter, zu Abend zu essen. Amber war zwölf Jahre alt, und immer wenn sie bei ihrem Vater war, bestand Cookie darauf, mindestens einmal mit ihr Essen zu gehen, aus Sorge, Amber könnte es schlecht gehen. Plötzlich fand ich es sonderbar, dass ich in den zwei Jahren, die ich Cookie kannte, ihren Ex noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Ich wusste nicht mal, wie er aussah, obwohl Cookie viel über ihn sprach. Meistens nichts Gutes. Manchmal aber auch nichts allzu Schlechtes. Ab und zu etwas Verblüffendes.
Dad war in der Bar, als ich auf einen Happen nach unten kam. Er warf Donnie das Handtuch zu, dem indianischen Barkeeper, der unwiderstehliche Brustmuskeln hatte und dazu dicke, blauschwarze Haare, für die jede Frau ihre Seele verkauft hätte. Aber wir hatten uns noch
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