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Geisterhauch (German Edition)

Geisterhauch (German Edition)

Titel: Geisterhauch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darynda Jones
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nie in die Augen geblickt, hauptsächlich weil er viel größer war als ich.
    Ich sah zu, wie Dad sich zu meinem Tisch durchwand. Es war mein Lieblingsplatz: in der dunklen Ecke bei der Theke, wo ich jeden beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Ich mochte es nicht besonders, wenn mich jemand beobachtete. Außer der Beobachter war über eins achtzig, hatte einen heißen Body und ein sexy Lächeln. Und war kein Serienmörder. Damit kam ich immer gut klar.
    Dads Färbung war noch nicht wieder die alte. Die sonst strahlenden Töne seiner Aura waren trübe und gräulich. So hatte ich ihn erst einmal gesehen, damals arbeitete er an einem brutalen Fall mit mehreren vermissten Kindern. Sogar so brutal, dass er mich außen vor hielt. Ich war damals zwölf, also alt genug, um alles und noch mehr zu wissen, doch er lehnte meine Hilfe trotzdem ab.
    »Hallo, meine Kleine«, sagte er und setzte ein falsches Lächeln auf, das die Augen aussparte.
    »Hallo, Dad.« Ich tat es ihm gleich.
    Er brachte uns ein Schinken-Käse-Sandwich, genau das, wonach ich lechzte.
    »Mhm, danke.«
    Lächelnd sah er zu, wie ich hineinbiss, wie ich kaute und schluckte und mit einem großen Schluck Eistee nachspülte.
    Ich hielt inne und wandte mich ihm zu. »Okay, das wird allmählich unheimlich.«
    Er lachte beklommen. »Entschuldige. Ich habe nur … Du wirst so schnell groß.«
    »Wirst?« Ich hustete gegen meinen Ärmel. »Ich bin längst groß.«
    »Richtig.« Er war mit den Gedanken woanders. In einer anderen Zeit, an einem anderen Ort. Dann kehrte er zurück und wurde ernst. »Sag mal, Schatz, kannst du mehr, als du mir bisher gesagt hast?«
    Ich hatte gerade ein großes Stück abgebissen und zog erst mal fragend die Stirn kraus.
    »Du weißt schon, kannst du … gewisse Dinge tun?«
    Vorige Woche hatte der mordlustige Ehemann einer Klientin versucht, mich umzubringen. Reyes rettete mir das Leben. Wieder mal. Und auf seine übliche Art. Er erschien aus dem Nichts und trennte dem Mann mit einem blitzenden Schwertstreich das Rückgrat durch. Da genau dasselbe in der Vergangenheit schon mehrmals vorgekommen war – Verbrecher mit durchtrennter Wirbelsäule ohne äußere Verletzung und medizinische Erklärung –, stand zu befürchten, dass Dad einen Zusammenhang herstellte.
    »Dinge?«, fragte ich mit Unschuldston.
    »Na ja, zum Beispiel der Mann, der dich vorige Woche angegriffen hat.«
    »Hm-hm.« Ich biss von meinem Sandwich ab.
    »Hast du … kannst du … bist du in der Lage – ?«
    »Ich habe ihm nichts getan, Dad«, sagte ich schluckend. »Ich habe doch gesagt, da war noch ein Mann. Der warf den Kerl gegen den Aufzugkäfig. Bei dem Aufprall muss –«
    »Richtig.« Er schüttelte den Kopf. »Das … das weiß ich ja. Es ist nur so, der Gerichtsmediziner meint, so etwas sei unmöglich.« Er hob den Blick und sah mich mit seinen sanften braunen Augen prüfend an.
    Ich legte mein Sandwich hin. »Dad, du glaubst doch nicht wirklich, ich wäre fähig, jemandem etwas anzutun, oder?«
    »Du hast so ein sanftes Wesen«, sagte er traurig.
    Sanft? Kannte er mich überhaupt?
    »Ich – ich überlege nur, ob mehr daran sein könnte, als –«
    »Ich habe etwas zum Nachtisch mitgebracht.«
    Meine Stiefmutter kam an den Tisch. Sie schob einen Stuhl neben Dad und pflanzte sich hin, dabei stellte sie vorsichtig eine weiße Schachtel auf den Tisch. Wie ich sah, kam sie frisch vom Friseur, hatte sich die kurzen braunen Haare und die Fingernägel machen lassen. Sie roch nach Haarspray und Nagellack. Ich hatte mich schon oft gefragt, was Dad an dieser Frau fand. Er war von ihrer Hochglanzerscheinung genauso geblendet wie alle anderen. Wer sie kannte oder zu kennen glaubte, nannte sie eine Heilige, weil sie es auf sich genommen hatte, einen Polizisten mit zwei kleinen Kindern zu heiraten. Heilige war allerdings nicht das Wort, das mir für sie einfiel. Ich glaube, ich war ihr unheimlich. Aber der Fairness halber muss ich sagen, ich fand sie auch gruselig. Ihr Lippenstift war immer ein bisschen zu rot für ihre blasse Haut, der Lidschatten immer ein bisschen zu blau. Ihre Aura ein bisschen zu dunkel.
    Gemma, meine Schwester, folgte in ihrem Kielwasser und nahm sich mit einem verbindlichen, aber angestrengten Lächeln den letzten freien Stuhl neben mir. Ihre blonden Haare waren straff zurückgebunden, und sie hatte dezent, aber gekonnt Make-up aufgelegt. Schließlich war sie Seelenklempner.
    Seit der Highschool war es mit unserer Beziehung, die noch nie

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