Geisterhauch (German Edition)
straffte zuversichtlich die Schultern. »Nun, Dämonen sind gefallene Engel, die sich mit Satan verbündet haben, der in der Endzeit die Welt beherrscht. Es ist unsere Pflicht, rein und gläubig –«
»Aber haben Sie mal einen gesehen ?«, fiel ich ihr erneut ins Wort. So würde ich natürlich nie zu einem Gottesdienst eingeladen.
»Einen gesehen?«, fragte die Ältere zögernd.
»Ja. Sie wissen schon …leibhaftig.
Sie schüttelten den Kopf. »Das nicht, nein, aber wenn Sie einmal diesen Abschnitt hier lesen wollen –«
Mann, die hatte es aber mit der Bibel. Ich hatte sie auch gelesen und konnte ihre Anziehungskraft verstehen, aber für mich gab es anderes zu tun. Meine drei Minuten waren wahrscheinlich auch schon um. »Das soll keine Beschwerde sein, und ich sage das mit dem allergrößten Respekt, aber Sie sind nicht hilfreich.« Ein bisschen traurig über ihre verwirrten Gesichter schloss ich die Tür. Es hätte ja sein können, dass ihnen bei ihren Streifzügen durch die Stadt schon einmal der eine oder andere Dämon über den Weg gelaufen war. Wenn ich in dieser Sache allein dastand, wenn Reyes wirklich verschwunden war, musste ich in Erfahrung bringen, woran man Dämonen erkannte. Aber sicher war Reyes gar nicht verschwunden. Er konnte nicht einfach so fort sein.
Ich setzte den Weg zur Toilette fort und begriff, dass das alte Sprichwort doch wahr war: Verdrängung gibt’s nicht erst seit Archimedes.
Eine Stunde später schleppte ich meinen knochenlosen Körper ins Büro und musterte sprachlos Cookies Aufzug. Sie trug einen violetten Pullover und hatte sich einen roten Schal um den Hals gelegt. Ich versuchte, mich nicht davon beunruhigen zu lassen.
Sie blickte von ihrem Computer auf. »Okay, ich habe die Schwester von Janelle York erreicht. Sie fuhr gerade nach Hause, war aber so freundlich, mir ein paar Fragen zu beantworten.«
Cool. »Und?«, fragte ich und goss mir einen Kaffee ein. Manchmal reichten drei einfach nicht.
»Sie hat erzählt, dass Janelle harte Drogen genommen hat, nachdem Mimi weggezogen war. Ihre Eltern dachten, weil sie sich zerstritten hatten. Dann habe ich sie auf Hana Insinga angesprochen, und die Schwester sagte, sie habe versucht, mit Janelle über deren Verschwinden zu reden. Janelle, Mimi und Hana waren nämlich in derselben Klasse. Aber Janelle habe sie empört angefahren, den Namen nie wieder zu erwähnen.«
»Wow, was für eine brisante Antwort auf so eine unschuldige Frage.«
»Das dachte ich auch. Und willst du wissen, was mit Cousin Harry ist, der Warren immer um Geld anhaut?«
»Ja.«
»Gar nichts. Er ist seit über einem Monat in Vegas und arbeitet in einem Spielcasino.«
»Im Unterschied zu einem Nichtspielcasino?«
»Ich habe auch mit der Frau unseres ermordeten Autohändlers gesprochen«, fuhr sie fort, mich komplett ignorierend.
»Du warst echt fleißig.«
»Sie präsentierte genau dieselbe Geschichte wie Warren. Ihr Mann fing an, sich zurückzuziehen, und wurde depressiv. Sie sagt, er sei ständig beunruhigt gewesen und habe sonderbares Zeug geredet.«
Ich runzelte fragend die Stirn.
»Er meinte, dass unsere Sünden manchmal zu groß sind, um vergeben zu werden.«
»Was haben die denn angestellt?«, dachte ich laut.
Cookie schüttelte den Kopf. »Ach, und sie dachte dasselbe wie Warren, nämlich dass ihr Mann eine Affäre hätte. Von ihren Ersparnissen seien große Summen verschwunden. Ich habe ihr versichert, dass er keine Affäre hatte.«
Ich warf ihr einen spöttischen Blick zu. »Dass er keine Affäre mit Mimi hatte, heißt noch nicht, dass er gar keine hatte.«
»Ich weiß, aber die Frau ist am Boden zerstört. Da muss man sie nicht noch mehr leiden lassen. Er hatte keine Affäre. Ich bin mir ganz sicher. Apropos am Boden – wie geht es dir?«, fragte sie und zog besorgt die Stirn kraus.
»Am Boden?«, wiederholte ich und tat gekränkt. »Mir geht’s super. Die Sonne scheint, der Superkleber hält. Was könnte ein Mädchen sonst noch wollen?«
»Die Weltherrschaft?«, schlug Cookie vor.
»Das wär’s noch. Hast du heute mit Amber gesprochen?«
Sie seufzte schwer. »Wie es aussieht, geht meine Tochter am Wochenende mit ihrem Vater zelten.«
»Cool. Camping macht Spaß«, meinte ich, sorgfältig darauf achtend, einen unbeschwerten Ton zu treffen. Mir war klar, warum sie die Vorstellung aufregte, beschloss aber, sie nicht darauf anzusprechen. Immer wenn Amber bei ihrem Vater war, geriet Cookie in tiefe Depressionen. Eigentlich wäre
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