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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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sein Innerstes verkrampfte sich. Er wollte nicht über sie nachdenken, aber er konnte nicht verhindern, daß er genau das tat, und so glitten die Erinnerungen wieder in seinen Sinn, die er - abgesehen von den Alpträumen lange bewältigt geglaubt hatte. Seine behandschuhten Fäuste ballten sich noch fester zusammen, und der Knoten stieg durch seine Kehle empor. Verdammt sei sie, weil sie mich verlassen hat, verdammt sei sie, weil sie es irgendwie geschafft hat, diesen Mann zu schicken …
    Er lag auf einem flachen Felsen und sah in den eilends dahinströ-
    men-den Kard hinunter, als er hörte, daß sein Name gerufen wurde.
    Er sprang auf und starrte den Mann an, der auf dem hellen Sand der Straße stand.
    Ein großer Mann, mit Haaren, die von noch kräftigerem Rot waren als die des Jungen, ein blasser Mann mit einer Haut wie Alabaster, ein lächelnder Mann, der ihn aus Augen von hellerem Grün als dasjenige der Horanblätter ansah, welche sich tief über seinen Kopf heruntersenkten. Ein schimmerndes Kristallei lag auf seiner Handfläche. „Ein Geschenk von deiner Mutter”, sagte er.
    Er lachte, warf das leuchtende Kristallei in die Luft, fing es auf, sagte noch etwas, das der Junge nicht verstand, und warf den Gegenstand in den am Felsen vorbeiführenden Fluß.
    Der Junge folgte dem glitzernden Bogen mit seinen Blicken und fuhr bei dem Platschen zusammen. Mit auf seinen Lippen bebenden Fragen drehte er sich wieder zur Straße um, doch der Mann war verschwunden.
    Der Junge tauchte ins Wasser hinein und suchte zwischen Wasserpflanzen und Kieselsteinen, bis er den Kristall fand. Er nahm ihn mit, zu jener Bank, auf der sein Vater mit Vorliebe seine Vormittage und Abende verbrachte, setzte sich und drehte sein Geschenk immer wieder, bis es sich durch die Hitze seiner Hände erwärmte und einige schimmernde Farbfunken hindurchgleißten. Es spann leuchtende Farbschleier um ihn herum, zeigte ihm in seinem Herzen dahinwehende Träume. Und dann flüsterte ihm der Kristall etwas zu, raunte, er solle hereinkommen, komm, komm, komm, sagte er, ich bin das Tor zu tausend Welten, und alle diese Welten sind dein. Dann läutete die Glocke und rief zum abendlichen Madar-Gesang. Das Flüstern wurde intensiver - er fiel hinein … doch er schüttelte den Bann ab, versteckte den Kristall zwischen den Wurzeln des Baumes und ging ins Haus.
    Am nächsten Tag stritt er sich heftig mit seinem Bruder, und daraufhin eilte er in ihr gemeinsames Zimmer, plazierte den Kristall neben dessen Bett und legte sich nieder, zufrieden mit sich, da er glaubte, daß sein Bruder verschlafen und dafür bestraft werden würde. Doch am Morgen hatte der Kristall seinem Bruder die Seele ausgesaugt und ihn kaum am Leben gelassen, ein hohles Etwas.
    Unfähig, sich dem zu stellen, was er getan hatte, floh der Junge aus dem Wadi Kard, wanderte umher, hungerte, bettelte, stahl, bis er einen weiteren Fremden traf, einen hochgeschossenen, dünnen Mann mit wildem, weißem Haar, ein zorniger, gehetzter Mann, von Erinnerungen nach Jaydugar zurückgetrieben, denen er nicht entgehen konnte, auf der Suche nach jener Frau, vor der er davongelaufen war. Statt dessen fand er den Jungen, nahm ihn mit sich, als er diese Welt verließ, lehrte ihn die Feinheiten des Diebeshandwerks, erkannte die besonderen Talente seines kleinen Schützlings und nutzte sie für seine Jobs.
    Und der Mann, der den Kristall in den Fluß geworfen hat, ist irgendwie mit meiner Mutter verwandt, dachte der Junge. Jedenfalls hatte ihm das der Dieb gesagt.
    Und seine Mutter war für die Blendung seines Vaters verantwortlich.
    Und seine Mutter war eine Hexe, die sofort nach der Geburt hätte ertränkt werden sollen, wenigstens erzählte so der Dieb, eine Frau, die die Männer benutzte und achtlos fallen ließ, wenn sie mit ihnen fertig war.
    Und seine Mutter war davongelaufen und hatte ihn allein gelassen.
    Sie landeten, erhielten die Ketten mit den Kennzeichnungsmedaillons, und dann kamen freundliche und höfliche junge Männer und Frauen und führten die Gäste in ihre Unterkünfte und beschrieben ihnen die vielen Freuden, die auf sie warteten.
    Tamris
    Tamris schrieb in ihr Notizbuch:
    Dieser Tag begann so glatt wie Sahne. Die Fähre brachte uns zu TOR hinauf. Aus purer Herzensfreundlichkeit wurde uns gestattet, dort nach Belieben umherzustreifen; kein Führer behinderte uns.
    Wir beobachteten, wie die Sucher einen Professionellen ausmachten, einen Dieb, der nicht zur Gewalttätigkeit tendierte, so

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