Geisterjagd
Erleichterung zu. „Ah, ich hasse die Augen an mir.” Sie preßte den Rücken flach gegen das dünne Holzfurnier, welches das Metall der Tür bedeckte.
Meinst du, f’Voine hat das mitbekommen?”
Aleytys flankte sich auf die Couch und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Nein, das nicht - nicht, nachdem du die Späher abgeschaltet hast. Intaril und ich - wir haben ein Geschäft miteinander gemacht. Sie schaltet die Augen rings um mich her ab, und ich lasse sie nicht platzen.”
„Glaubst du, daß sie sich daran hält - vertraust du ihr?”
„Natürlich nicht, und das weiß sie. Also schaltet sie sie ab. Ich prüfe das immer wieder nach, nur um sie ehrlich bleiben zu lassen.”
Sie zog eine Hand vor und tätschelte ein Gähnen. „Ich habe genug Hunger, um einen rohen Silberpelz anknabbern zu können, aber gleichzeitig wieder zu müde, um zu essen. Widerlich.”
Tamris stieß sich von der Tür ab und ging zur Bar hinüber. „An den Wein, den sie hier haben, könnte ich mich gewöhnen.”
„Sei eine nette kleine Jägerin, und eines Tages kannst du ihn dir vielleicht leisten. Da wir gerade von Jägern sprechen … Komm, sag mir: Was werden wir morgen unternehmen?”
Tamris schenkte den goldenen Wein in zwei Gläser. „Ich tippe auf einen weiteren erbärmlichen Tag vor den Bildschirmen. Wir sehen uns die anderen Bänder an, stellen fest, in welcher Verkleidung der Junge und der Dieb auftreten, machen ausfindig, wo sie die Zeit verbracht haben, in der sie nicht mit der Entführung beschäftigt waren.
Wir finden heraus, ob ein System dahinter steckt, wie viele Tage sie hier waren, bevor sie zugeschlagen haben, und wie viele Tage, nachdem sie das getan haben, all das. Und Intaril weiß genau, was wir herausfinden.”
„Richtig.”
„Und f’Voine wird ein halbes Hundert Angestellte auf die Bänder ansetzen … Wahrscheinlich hat er sie schon anfangen lassen.”
„Zweifellos.”
„Wie groß ist die Chance, daß sie den Jungen entdecken? Oder den Mann?’ „Groß genug, kommt darauf an, wie flexibel die Beobachter sind oder wie verzweifelt.”
„Wenn ich f´Voine rasend hinter mir stehen hätte, dann wäre ich verdammt schön verzweifelt.”
„Mhmmm. Morgen werden wir’s wissen. Wenn Intaril auftaucht, um die Übergabe des Aufzeichnungsgeräts zu autorisieren, und dabei nicht übers ganze Gesicht strahlt, dann hat sie der Dieb noch einmal hereingelegt.” Aleytys setzte sich, nahm das Glas, nippte am Wein und seufzte. „Sie könnte auf dumme Gedanken kommen, aber ich denke, daß ich das,rechtzeitig genug aus ihr herauslesen kann.”
Am dritten Tag:
ZUFALL
SUNG YUL TWI (Das zweite Opfer)
Die Szenerie des Kasinos, ein Flackern von Gesichtern stets rundherum um die Geräte, die Spiele, die Tische, die Börsen, die Bildschirme, an denen Kämpfer kämpften und Rennfahrer per Realzeit
übertragung Rennen fuhren, stumme, angespannte Gesichter, lautlos rufend, ausdruckslose Gesichter, die das Ablesen eines jeden Gefühls verweigerten … doch die meisten Blicke strichen über Hände und Körper, und dies nicht wegen der Sicherheit der Kunden, sondern wegen der Sicherheit des Kasinos - sie achteten auf Vorrichtungen und Taschenspielertricks. Wie beim ersten Band erwies sich der vierte Tag als der Schlüssel; dieses Mal erfolgte der Stich früh am Abend, nicht am Nachmittag. Nur ein Blitz, ein Sekundenbild, sofort wieder verschwunden, doch ihr Tastendruck ließ die Szenerie erstarren, ließ sie rückwärts laufen, und da war er: abermals verändert, geschickt in einen halbwüchsigen Kobold verwandelt, der voller Anmut und verschlagener Bosheit durch die Menge größerer Gestalten trieb. Tamris war skeptisch, bis Aleytys einen Abzug des Gesichts herausfilterte und diesen mit dem ersten verglich.
LETHE
SAH-KALAH, der Verbund (das dritte Opfer)
Lethe war schwer zu überwachen; dem Tod in all seinen Erscheinungsformen gewidmet, die Sterbenden schrien echte Schreie, bluteten echtes Blut, erlitten echten Tod und Schmerz. Manchmal schauten die Kunden nur zu, manchmal nahmen sie an der Handlung teil, bis zu den Ellenbogen in Blut und Eingeweiden, berührten leicht Regelwiderstände, die den Schmerz der Opfer in langsamen Etappen verstärkten -und genossen diesen vor ihnen ausgebreiteten Schmerz.
„Das ist nicht wirklich, es kann nicht wirklich sein”, flüsterte Tamris. Sie preßte die Hand auf den Mund, und ihre Kehle krampfte sich zusammen.
„Es ist echt genug. Pah! Kein Wunder, daß sie
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