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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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sich Aleytys in ihren Sessel nieder, Tamris still und verdrießlich neben ihr. Sie drückte die Start-Taste und sah zu, wie Oldread Cans während des zweiten Tages durch seine Traumwelt tänzelte. Nach dem dritten inbrünstigen und allzu langgezogenen Lobgesang auf den Gottkönig lehnte sie sich mit einem heftigen Ruck im Sessel zurück und stieß die Haarsträhne zurück, die ihr in die verschwitzte Stirn fiel. „Genug!” fauchte sie.
    „Mehr als genug.” Tamris zog die Nase kraus. „Noch eine Rede, und mir ist speiübel.”
    Aleytys stoppte den Bandablauf und rief den letzten Tag ab. „Es ist nur ein halber Tag”, sagte sie. „Aber ich fürchte, wir werden noch eine Menge davon zu hören bekommen.”
    Abermals begannen die Szenerien über den Bildschirm zu flie
    ßen, die gleichen wie zuvor.
    Aleytys war kurz vor dem Einschlummern, als ihr ein Aufblitzen von Rot in die Augen stach. Cans sah zu, wie die Knaben und die Rehkitze mit einer Kugel aus blauem Licht spielten. Plötzlich tauchte in ihrer Mitte ein Junge auf, der zuvor nicht dagewesen war - die echten Jungen achteten nicht auf ihn, da sie möglicherweise glaubten, er sei eine Erfindung Cans, genau wie die Rehkitze oder die geflügelten Mädchen, die über ihnen kreisten.
    Cans wurde des Spiels müde und kehrte ins Haus zurück; die Jungen marschierten hinter ihm her. Der rothaarige Junge blieb stets in Bewegung, drückte sich hinter einen anderen, wenn er die Spähaugen passierte, als könne er sie so leicht wahrnehmen wie sie dies getan hatten. Nur das gelegentliche Aufblitzen von Rot machte auf ihn aufmerksam, wenn sich sein Kopf vor oder hinter den eines anderen Jungen schob. Sie beugte sich vor und lauerte aufmerksam dem Augenblick entgegen, in dem er wenigstens eine minimale falsche Bewegung machte und ein wenig mehr von sich zeigte als gewöhnlich, genug, um eine Vorstellung von seinem Gesicht oder wenigstens einem Teil davon zu bekommen.
    Es geschah. Mit einem leisen, zufriedenen Laut hielt sie das Band an und spulte es zurück. Dann ließ sie die Finger über die Sensortafei huschen und vergrößerte das Stück seines Gesichts, fertigte einen Abzug, puzzelte daran herum und gab sich die größte Mühe, alles aus den Apparaturen herauszumelken, was diese ihr zu geben fähig waren, bis sie zufrieden sein mußte, da sie es nicht deutlicher bekommen konnte -und so kehrte sie in den Handlungsablauf zurück, um nach einer weiteren Chance zu suchen. Sie bekam sie nicht. Der Junge war mit einer Geschicklichkeit auf der Hut, mit der selbst sie Schwierigkeiten haben würde, es aufzunehmen. Bis auf seinen Haarschopf blieb er bemerkenswert unkenntlich und glitt wie ein nur halb sichtbarer Geist dahin, das Gesicht verborgen, anmutig schnell, selbstsicher zwischen den spielenden Jungen; im nächsten Moment hatte er den Raum verlassen - und dann wurde der Bildschirm dunkel.
    Aleytys setzte sich zurück, den Kopf gesenkt, die Handballen fest auf die Augen gedrückt. Sie ließ die Hände in den Schoß fallen. „Ich habe meinen Beweis. Ich wünschte, ich hätte ihn nicht.”
    „Warum?”
    „Später.” Aleytys nahm den besten Abzug an sich und reichte ihn Tamris. „Paß im ersten Satz der TOR-Bilder auf dieses Gesicht auf.”
    Und sie saß da, die Hände schlaff im Schoß, plötzlich so müde und entmutigt, daß sie sich nicht mehr bewegen wollte, nicht mehr bewegen konnte. Sie streckte sich in ihrem Sessel aus, das Genick auf der harten Plastkopflehne, die Beine steif und gerade vor sich, das Hinterteil kaum mehr richtig auf der Sesselkante. Nach einem langen Moment ließ sie den Atem aus sich herausplatzen, sackte in sich zusammen und setzte sich dann wieder aufrecht hin. „Ruf mich, wenn du ihn siehst.”
    Sie schwang herum. Tamris war über den Bildschirm gebeugt und arbeitete fleißig: mit einem Lichtstift bezeichnete sie einige Punkte auf dem Abzug und gab sie in den Computer ein. Als sich Aleytys neben sie stellte, blickte sie auf. „Hab’ mir gedacht, ich versuch’s zuerst so.” Sie tippte auf den Sensorpunkt und lehnte sich zurück; auf dem Bildschirm huschten in schneller Folge fleckige, schattige Bilder dahin. „Wenn es nicht klappt, können wir uns immer noch an die Knochenarbeit machen. Aber vielleicht sparen wir uns das - und die Zeit.”
    „Vorausgesetzt, der Junge ist nicht irgendwie verkleidet durch die Maschen geschlüpft.”
    „Vorausgesetzt. Du hast gesagt, daß es eine Menge Wenns gibt.
    Hah. Sieh mal.” Die verschwimmenden

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