Geisterjagd
befestigen, damit sie nicht frei im Raum schwebte, während sie sich auf andere Dinge konzentrierte.
Das war er: der schnellste, simpelste Weg, um vom Habitat hierher zu gelangen; und sie hielt immer noch den Rekord. Keiner vermochte geschwinder durch den Tunnel zu schießen. Bis auf Demahl, natürlich. Er hatte es tatsächlich geschafft, sie in puncto Zeit zu schlagen. Ein einziges Mal. Doch dabei hatte er übertrieben und war zu rasant in die Kuppel hineingefegt. Doch weil er sich die Schulter ausgerenkt hatte, als er sich am Schluss seines Rennens mit einer Kombination aus Stange und Kuppelwand abstoppte, wurde die Zeit nicht angerechnet. Deshalb war Kethi nach wie vor die Schnellste.
Sie freute sich immer auf ihre Arbeitsschichten hier draußen. Alleinsein war ein seltener und kostbarer Luxus. Außerdem hatte das ehrfürchtige Staunen, das sie übermannt hatte, als sie zum ersten Mal in das Universum hinaus blickte, niemals nachgelassen, und an keinem anderen Ort des Habitats war dieses Gefühl ausgeprägter, unmittelbarer als hier.
Kethi entspannte sich, rückte sich in dem Sessel zurecht und sammelte sich, ehe sie die Aufzeichnungen öffnete. Eine bestürzende Flut von Informationen überschwemmte ihren Verstand und flimmerte über ihre Linsen, als sie die von einer Batterie aus unterschiedlichen Sensoren aufgenommenen Daten prüfte und aufeinander abstimmte, um ein eilig gezeichnetes digitales Bild zu schaffen, das wiedergab, wie das sie umgebende Universum von diesem Aussichtspunkt zu dieser spezifischen Zeit erschien.
»Kethi«, klang die Stimme wie ein Murmeln am Rande ihres Bewusstseins, »könnten Sie bitte sofort zu mir in die Nabe kommen?«
Sie ließ sich ihre leichte Gereiztheit nicht anmerken, als sie antwortete: »Nyles, ich beginne gerade meine Schicht in der Kuppel. Können Sie noch ein bisschen warten?«
»Nein, kann ich nicht. Ich schicke jemanden los, der Sie ablöst. Die Angelegenheit ist ziemlich dringend.«
»Na schön. Bin schon unterwegs.«
Kethi blinzelte zweimal fix hintereinander, wischte die Daten von ihren Linsen und schloss den Strom an Aufzeichnungen. Aus ein paar Stunden Ruhe und Frieden hier draußen wurde wohl nichts. Ihre nächste Schicht in der Kuppel war erst in einigen Wochen fällig.
Seufzend öffnete sie die Sitzgurte und brachte vorsichtig ihre Füße in Position, ehe sie sich in die Höhe reckte und durch die halb solide Barriere der Kuppeltür stieß, die dahinter angebrachte Stange packte und sich nach draußen hievte.
Eine einfache Übung, wenn man sie beherrschte; bei den ersten paar Versuchen ein Albtraum.
Während sie durch die Röhre zurücksegelte, nur wenige Augenblicke nachdem sie in entgegengesetzter Richtung hindurchgerauscht war, fragte sie sich, was so dringend sein konnte, dass Nyles sich veranlasst fühlte, sie von einer Pflicht wegzubeordern. Keine der Möglichkeiten, die ihr einfielen, waren in irgendeiner Weise positiv oder ermutigend, egal, aus welchem Blickwinkel sie sie betrachtete. Bestimmt hatte es etwas mit der ULAW zu tun; vielleicht eine kürzlich verlautbarte politische Entscheidung, die Nyles und seine Leute als eine günstige Gelegenheit auffassten, oder ein Kurs, den sie als ein Zeichen von ungebührender Einflussnahme zu interpretieren geruhten.
Nyles schien unfähig zu sein, zu erkennen, was die meisten Leute hier längst begriffen hatten: Dieser Ort und seine Population waren für den Rest der Menschheit total irrelevant. Seit der Gründung des Habitats und dem Entschluss seiner Bewohner, sich nicht nur aus der politischen Arena, sondern sogar aus der Gesellschaft generell zurückzuziehen, hatte man ihre Gemeinschaft weitgehend ignoriert und so gut wie vergessen.
Nyles und seine Unterstützer weigerten sich stur, dies zu akzeptieren, und durchkämmten ständig neue Aufzeichnungen und Datenströme auf der Suche nach einer geflüsterten winzigen Mitteilung oder einem Gerücht, woran sie sich klammern konnten, um die Existenz des Habitats zu rechtfertigen. Seine jüngste Aufforderung, zu ihm zu kommen, war zweifelsohne wieder ein Beispiel für seinen Eifer, sich an irgendeinen kosmischen Strohhalm zu klammern.
Kethi kannte sich in Geschichte aus und wusste, dass William Anderson, der Gründer des Habitats, einstmals eine bedeutende politische Größe gewesen war. Andersons Position als Direktor eines der größten Ressourcen-Konglomerate seiner Zeit hatte ihm immensen Reichtum und den damit einhergehenden Einfluss beschert. Man
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