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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Whates
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sagte, zeitweilig hatte allein der Zweig seines Imperiums, der synthetische Lebensmittel herstellte, fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung, die sich über den von Menschen bewohnten Teil des Weltraums verbreitete, mit Nahrung versorgt. Trotzdem hatte seine anscheinend ungeheuerliche Behauptung, die er auf dem Höhepunkt des Krieges von sich gab – nicht die ULAW sei der wahre Feind, sondern irgendwo im Hintergrund lauere eine viel größere, bösartigere Bedrohung –, für Empörung und weitgehende Ächtung gesorgt. Eine Rückschau war eine wunderbare Sache, und Kethi konnte nicht verstehen, dass es Leute gab, die etwas anderes erwartet hatten. Wie naiv waren Anderson und seine Anhänger? Natürlich interessierte sich niemand für seine sogenannten »Beweise«; er beharrte darauf, in seinem Besitz befänden sich Indizien, die seine Theorie untermauerten. Aber er traf durchweg auf taube Ohren. Der einzige Feind, dem die Menschen damals ihre Aufmerksamkeit schenkten, war der Gegner, dessen Armeen und Kriegsschiffe sich vor ihnen zusammenballten.
    »Die Bereiten«, hatten Anderson und seine Gefolgschaft sich selbst genannt. »Die Bibbernden«, war einem Medien-Scherzbold dazu eingefallen, eine Verballhornung, die schnell zu »Die Bibbies« degenerierte – sie wurden zu Witzfiguren. Schlimmer noch, in manchen Kreisen beschuldigte man sie, ULAW-Sympathisanten zu sein, die mit dem Feind kollaborierten und versuchten, die Kriegsanstrengungen zu unterminieren. Diskreditiert, gedemütigt und frustriert, gab Anderson die Hoffnung auf, dass man auf ihn hören würde, und zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Danach entschloss er sich, seine Anhänger an die Grenze des von Menschen besiedelten Weltraums zu führen und das Habitat zu gründen, einen sicheren Zufluchtsort, wo sie ihre Arbeit fortsetzen und dafür sorgen konnten, dass zumindest sie selbst vorbereitet waren. Das Projekt zehrte das Privatvermögen ihres Anführers auf, aber er war mehr als gewillt gewesen, diesen Preis zu zahlen.
    Anhand ihrer eigenen Studien über das Leben dieses Mannes gelangte Kethi zu der Auffassung, Anderson habe nicht damit gerechnet, dass das Habitat eine derart dauerhafte Heimat würde; er schien es eher als die Plattform betrachtet zu haben, von der aus er eine neue politische Karriere starten konnte. Offenbar sah er sich bereits in der Rolle des Helden, der in der Stunde der größten Not in die menschliche Gesellschaft zurückfand, um die zu retten, die früher über ihn gelästert hatten.
    Aber dieser Augenblick trat nie ein. Knapp zehn Jahre nach Kriegsende starb Anderson und überließ es seinen alternden Zeitgenossen und ihren Nachkommen, der nächsten Generation, seinen Traum weiterzuträumen und das Leben zu führen, das er ihnen aufgepfropft hatte. Unter den jungen Leuten wuchs ein Gefühl von Ruhelosigkeit; einige hassten den großen »Gründer« wegen seines Vermächtnisses, und manche verabscheuten sogar das Habitat und wofür es stand.
    Von all dem blieb Nyles unbelastet, so viel stand fest. Als ein Mann, der tatsächlich im Krieg gekämpft hatte, war er einer der Ersten gewesen, der sich Andersons Sache anschloss, und bis zum heutigen Tag glaubte er mit derselben glühenden Leidenschaft an ihre Richtigkeit. Kethi fiel es zunehmend schwerer, eine derart hochgradige Hingabe zu heucheln, geschweige denn das Ausmaß an Eifer noch zu übertreffen.
    Sie erreichte das Ende der Röhre und gelangte in das eigentliche Habitat, um sich erneut dem Zug der Schwerkraft auszusetzen. Als sie die Schwelle überquerte und ihr Körpergewicht wieder spürte, dachte sie daran, wie einfach es war, derlei Dinge für selbstverständlich zu halten; sie fragte sich, wie viele der hiesigen Bewohner überhaupt die Technologie bemerkten, die es ermöglichte, ein auf eine eingegrenzte Zone beschränktes Gravitationsfeld so akkurat auszurichten. Nur wenige, mutmaßte sie.
    »Kethi!« Der Ruf erklang hinter ihr, als sie sich der Nabe näherte. Sie wusste, wer ihren Namen rief, noch ehe sie sich umdrehte und die vertraute, ein wenig schlaksige Gestalt von Simon auf sich zurennen sah, wobei er nur knapp eine Kollision mit einem erschrockenen älteren Paar vermied. Er wischte an ihnen vorbei, ohne auf ihr missbilligendes Stirnrunzeln zu achten.
    Bei ihr angekommen, wirkte sein jungenhaftes Grinsen ansteckend, wie immer, und automatisch lächelte sie zurück, sie konnte gar nicht anders. Simon war einer ihrer besten Freunde und eine ihrer größten

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