Geisterkrieg
irgendwelche Brüche, aber die Rippen waren schwer genug geprellt, um lange zu schmerzen.
Es ist schon seltsam, wie langsam in einer solchen Situation die Zeit vergeht. Der pure Hass auf mich strahlte den beiden geradezu aus allen Poren. Sie nahmen mir nicht nur übel, dass ich sie verletzt hatte, sondern schon meine bloße Gegenwart beleidigte sie. Sie wollten mich nicht allein lassen, aber ebenso wenig wollten sie mich dabeihaben, sodass ich hören konnte, was sie sagten. Ich beobachtete, wie sie sich benahmen, und hatte nicht den Eindruck, dass sie irgendetwas miteinander hatten. Doch sie waren sicherlich befreundet, und der Verlust ihrer Kameraden verband sie zusätzlich. Noch eine Unannehmlichkeit, die sie mir anlasten konnten.
Und so dehnte sich die Zeit. Dass die beiden mich nicht mochten, war mir herzlich gleichgültig. Dass sie Angst vor mir hatten, machte mir sogar Spaß. Das ist das Seltsame an Intellektuellen - und nur Bildungsbürger werden für Anliegen wie den Artenschutz aktiv. Sie sind zwar bereit, Gewalt zu unterstützen, wenn sie ihrer Sache weiterhilft, aber das ist immer eine imaginäre, noble Art von Gewalt. Saubere Gewalt, ein Knockout mit einem Schlag, und danach fordert man den Gegner auf, sich zu ergeben, und vertraut darauf, dass er sein Wort hält.
Ich spielte nicht nach ihren Regeln, und das störte sie gewaltig. Bei Letitia wäre ein Schlag genug gewesen. Zum Teufel, es hätte gereicht, ihr ein Bein zu stellen und sie nach hinten auf einen Tisch zu stoßen. Bei Ray war der Ellbogen akzeptabel gewesen, aber ihm anschließend den Kopf aufs Lenkrad zu donnern, war zu viel. Und ihm dann noch die Tür gegen den Leib zu schlagen, also, das war schlichtweg gemein.
Möglicherweise fragen Sie sich jetzt, wie sie bei dieser Einstellung zur Gewalt rechtfertigen konnten, auf Gendarmen zu schießen? Das ist einfach. Erstens war das MG-Feuer auf Distanz erfolgt und die Schützen hatten nicht gesehen, was sie anrichteten. Zweitens hatten sie einen Kameraden verteidigt. Selbstverteidigung gab ihrem Handeln etwas Edles und verschleierte die Tatsache, dass sie keinerlei Notwendigkeit gehabt hätten, sich zu verteidigen, wären sie nicht dabei gewesen, ein Verbrechen zu begehen.
Schließlich traf Freundlich ein. Er unternahm keinerlei Versuch, sich zu verkleiden. Er trug noch immer schwarz und wirkte geradezu skelettartig hager, mit einer teigig fahlen Haut, die ihn wie einen Vampir aussehen ließ, der eine kleine Ewigkeit keine Mahlzeit mehr gehabt hatte. Er trug eine Brille, deren Gläser im Sonnenlicht dunkel wurden und im Haus einen Grauschleier über die Augen legten. Er hatte sich den Kopf rasiert, was mir wieder einmal bestätigte, dass es nichts Hässlicheres gibt als einen weißen Mann mit Vollglatze.
Er schaute sich Rays Zustand an, dann drehte er sich zu mir um. Seine Miene lag irgendwo zwischen irritiert widerwillig und amüsiert. »Ich sehe, Sie waren nicht untätig, Mister Donelly.«
»Allerdings nicht.« Ich blieb in dem Polstersessel bequem sitzen. »Die beiden da, raus. Das hier ist nur etwas zwischen Ihnen und mir.«
Letitia war drauf und dran, sich zu widersetzen, aber Freundlich winkte sie zur Tür. »Ray wird es gut tun, sich auszustrecken. Es wird nicht lange dauern. Ich brauche Letitia nicht als Leibwache, oder?«
»Nein.«
Letitia führte Ray aus dem Zimmer und den Flur hinunter zu den Schlafzimmern. Freundlich setzte sich auf die Couch, die Ray freigegeben hatte, und schnippte ein blutiges Papiertaschentuch in den Papierkorb. »War das wirklich nötig?«
»Sagen Sie es mir.« Ich kniff die braunen Augen zusammen. »Es stellen sich verschiedene Möglichkeiten zur Wahl. Entweder Sie haben mich wie einen Köder vor die Nase einer Republik-Kritikerin gehalten, oder Ray ist der Spitzel, den die ZVET in dieser Zelle hat. Könnte auch beides sein, oder sogar, dass Ray einfach nur ein Schwachkopf ist. Möchten Sie die Alternativen für mich sortieren?«
»Faszinierend.« Sein Gesicht spiegelte kaum Emotionen. »Ich habe Ray gebeten, Sie auf diese Kundschaftermission mitzunehmen. Unter Umständen, habe ich angedeutet, könnten Sie bemerkt werden. In diesem Fall sollte er sich vorsehen und beobachten, so gut er konnte. Ray ist kein Intelligenzbolzen, aber ich hatte weder vor, Sie absichtlich der Gegenseite zu opfern, noch habe ich ihm etwas Derartiges vorgeschlagen.«
Ich nickte zögernd. »Aber Sie haben nichts dagegen, dass die ZVET mich weiterhin für einen Faktor in diesem
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