Geisterreigen
oben zu ziehen. Doch dann lag Diana endlich in den Armen ihres zukünftigen Mannes. Er hielt sie so fest, daß sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen.
"Ich hatte so entsetzliche Angst", stammelte sie. "Du kannst dir nicht vorstellen, wie furchtbar es dort unten gewesen ist."
"Jetzt ist alles vorbei", sagte Timothy sanft. Er berührte ihr G esicht. "Ich wollte dich mit meinem Besuch überraschen. Als hätte ich geahnt, daß man dich keine fünf Minuten alleine lassen kann."
"Wie es aussieht, wirst du in Zukunft gut auf mich aufpassen müssen." Diana schmiegte ihr Gesicht an seine Schulter.
"Das werde ich, darauf kannst du dich verlassen", versicherte er und küßte sie.
20.
Einige Tage später wurden die Gebeine der ermordeten Mädchen auf dem Friedhof von Alberry beigesetzt. Reverend Lansing hielt eine eindrucksvolle Predigt. Viele der Leute, die an der Beerdigung teilnahmen, weinten. Auch Diana fühlte, wie ihr Tränen in die Augen traten. Sie dachte an all das Leid, das Charles Lord Rowland nicht nur über die Familien der kleinen Mädchen gebracht hatte, sondern auch über seine eigene.
"Wie ich annehme, werden Sie jetzt also in Alberry bleiben, Miß Rowland", bemerkte Reverend Lansing nach der Beerdigung. Sein Sohn, Diana und er standen noch immer an der kleinen Gra bstätte, die unmittelbar vor der Gedenktafel angelegt worden war.
"Das habe ich vor, Reverend Lansing", erwiderte Diana.
Timothy legte den Arm um sie. "Wir werden heiraten, Vater", sagte er. Es kostete ihn Überwindung, aber er fügte hinzu: "Wir wären sehr glücklich, wenn du uns deinen Segen geben würdest."
Ian Lansing atmete tief durch. Er blickte nach Rowland Castle hinauf, wandte sich dann wieder den jungen Leuten zu. "Sie haben den Namen Ihrer Familie reingewaschen, Miß Rowland", meinte er. "Ich habe nichts gegen eine Heirat einzuwenden. Wenn Sie und Timothy einstanden sind, dann würde ich gerne die Trauung vo rnehmen."
"Wir sind einverstanden, Reverend Lansing", versicherte Diana glücklich. Auch wenn sie Timothys Vater nach wie vor nicht so nderlich mochte, sie wollte mit ihm in Frieden leben.
"Danke, Vater." Timothy reichte seinem Vater die Hand. Der Reverend ergriff sie flüchtig, dann ging er davon.
Diana seufzte auf.
"Es ist mehr, als wir erwarten konnten, Darling." Timothy blickte seinem Vater nach.
Sie nickte. "Vielleicht hätte ich ihm schon sagen sollen, wir einen Teil von Rowland Castle der Gesellschaft zum Schutz der Natur zur Verfügung stellen werden."
"Dazu ist immer noch Zeit", erklärte Timothy. "Wenn..."
"Hör!" Diana blickte zur Gedenktafel. Ganz deutlich sah sie im Abendlicht die kleinen Mädchen tanzen. Sie sangen das Lied vom Humpty Dumpty. Wieder einmal schien Lucy die Wildeste von allen zu sein.
Timothy rieb sich die Augen. Zum ersten Mal sah nun auch er den Geisterreigen. Fassungslos beobachtete er, wie plötzlich eine weitere Gestalt zu den Kindern trat. Sie nahm Lucys Hand, dann drehte sie sich ihnen zu und sie sahen, daß es sich um ein junges Mädchen handelte.
"Mary", flüsterte Diana fast atemlos. Ja, es konnte nur Mary sein. Aber dieses Mal wurde Mary's Gesicht nicht vom Haß verzerrt, sondern es wirkte gelöst. Noch immer Lucys Hand haltend, erhob sie sich in die Luft.
Das Lied der Mädchen wurden leiser und leiser. Ihre Körper verschmolzen mit der Nacht. Schließlich lag nur noch ein Hauch ihrer Stimmen über dem Friedhof.
"Wie friedlich es hier plötzlich ist", meinte Timothy aus seinen Gedanken heraus.
"Sie haben endlich ihren Frieden gefunden", erwiderte Diana leise. "Wir werden sie niemals wiedersehen." Sie lehnte sich an seine Schulter. "Ich bin glücklich. Unendlich glücklich, Timothy."
"Du kannst nicht glücklicher als ich sein", erwiderte ihr zukünftiger Mann. Hand in Hand wandten sie sich dem Ausgang des Friedhofs zu.
Oben auf Rowland Castle warteten Willow ein köstliches Di nner auf sie, aber noch dachten die jungen Leute nicht daran zurückzukehren. Sie verließen Alberry und fuhren zu einem einsam gelegenen Strandstück. Arm in Arm stiegen sie zum Wasser hinunter.
E n d e
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