Geisterreigen
bedauert, daß er sich nicht mit Ihnen in Verbindung setzen durfte."
"Ich wünschte, ich hätte Onkel Stewart noch kennenlernen dü rfen", meinte die junge Frau. "Wie ich inzwischen weiß, habe ich zwar meine ersten Lebensjahre auf Rowland Castle verbracht, aber ich kann mich überhaupt nicht mehr an ihn erinnern." Sie hob die Schultern. "Anderseits kann ich natürlich meine Eltern verstehen. Sie glaubten an den Fluch und wollten mich in Sicherheit wissen."
"Auch Lord Rowland glaubte an diesen Fluch, nur war er übe rzeugt, daß man ihn eines Tages aufheben könnte." Dr. Lane sah Diana eindringlich an. "Ich bin ein Mensch, der mit beiden Beinen auf der Erde steht, Miß Rowland. Dennoch weiß ich nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll. Der Tod der Töchter zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte Ihrer Familie. Also seien Sie bitte vorsichtig."
"Das werde ich", versprach Diana. Sie wartete, bis Dr. Lane abgefahren war, dann kehrte sie ins Haus zurück, um ihre Handt asche und eine Jacke zu holen. Sie wollte noch Alberry einen kurzen Besuch abstatten und etwas am Wasser spazierengehen.
"Sie müssen nicht unbedingt den Wagen nehmen, um nach A lberry zu kommen, Miß Diana", meinte John March, als sie ihm in der Halle begegnete. "Vom Park aus führt ein schmaler Pfad zwischen den Klippen zum Strand hinunter."
"Heute fahre ich lieber", entschied die junge Frau. "Ich werde bis zum Dinner zurück sein."
"In Alberry gibt es in der Nähe des Strandes eine nette, kleine Teestube. Sie heißt Annies House. Man sitzt dort sehr gut. Außerdem sind Kuchen und Tee ausgezeichnet."
Diana bedankte sich für diesen Tip. Sie war froh, daß man ihr auf Rowland Castle so freundlich entgegenkam. Immerhin war sie eine Fremde, auch wenn ihr der Besitz jetzt gehörte. Wie sie von den March's und Dr. Lane wußte, wäre auch niemand vom Pers onal entlassen worden, wenn sie die Erbschaft abgelehnt hätte und Rowland Castle in den Besitz der Gesellschaft zum Schutz der Natur übergegangen wäre.
Bester Laune fuhr Diana durch den Wald nach Alberry hinu nter. Jetzt am Nachmittag wirkte der Wald nicht mehr so bedrohlich, wie er ihr am vergangenen Abend erschienen war. Das verzerrte Gesicht, das sie für einen kurzen Augenblick im Buschwerk zu erkennen geglaubt hatte, konnte alles mögliche gewesen sein.
"Wichtig ist vor allen Dingen, daß du dich nicht verrückt m achen läßt", sagte sie leise vor sich hin.
Der Wald blieb hinter ihr zurück. Rechts und links der Straße tauchten kleine Gehöfte auf, kurz darauf erreichte Diana das Dorf. Sie fuhr durch die Hauptstraße bis zum Markplatz und stellte dort den Wagen vor dem Bürgermeisteramt ab.
Die junge Frau überquerte langsam den Platz und wandte sich der alten Kirche zu, die früher außerhalb des Dorfes gelegen hatte. Im Laufe der letzten Jahrzehnte war in Alberry soviel gebaut worden, daß sie sich jetzt in seinem Zentrum befand.
Das Portal stand offen. Diana spürte eine gewisse Scheu, diese Kirche zu betreten, gerade weil sie von ihren Vorfahren erbaut worden war. Auch Charles Lord Rowland hatte hier jeden Sonntag mit seiner Familie dem Gottesdienst beigewohnt. Sie fragte sich, wie er es Angesichts seiner Untaten hatte wagen können, die Hä nde zum Gebet zu falten.
Nachdenklich ging sie durch den Mittelgang. Die Kirche schien noch älter zu sein, als es zuerst den Anschein gehabt hatte. Diana vermutete, daß sie noch aus der Normannenzeit stammte. Hin und wieder blieb sie stehen und betrachtete die schmalen, hohen Fenster, auf deren Butzenscheiben Szenen aus dem Alten und Neuen Testament dargestellt wurden.
Die junge Frau hatte das Schiff der Kirche erreicht. Rechts und links standen gewaltige Steinsarkophage. Sie versuchte, die eingravierten Schriftzüge zu entziffern.
Die Tür der Sakristei öffnete sich. Ein schmaler, großer Mann trat heraus. "Kann ich etwas für Sie tun, Miß Rowland?" fragte er.
Die junge Frau drehte sich erschrocken um. Auf den ersten Blick erkannte sie, daß es sich bei dem Fremden um den Pfarrer von Alberry handeln mußte. "Woher wissen Sie, wer ich bin, Mister...?"
"Reverend Lansing, Ian Lansing", erwiderte der Mann. "In A lberry wird kaum noch über etwas anderes als über Ihre Rückkehr gesprochen, Miß Rowland." Er machte einige Schritte auf sie zu. "Ich würde Sie gerne willkommen heißen, doch ich bin ein Mensch, der es mit der Wahrheit sehr genau nimmt. Es wäre besser gewesen, Sie hätten England nie wieder betreten."
"Im
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